top of page

Grandiose Kommerzkacke

Erotik-Fantasy mit einem Schuss Humor: Was klingt wie ein ungenießbarer Mix, macht Stjepan Sejic zu einer sehenswerten Lesenswürdigkeit

Illustration: Stjepan Seijic - Panini Comics

Heute hab ich mal was ganz anderes im Angebot: erstaunlich gute Kommerzkacke. Soft-Erotik, wohl vorwiegend an Frauen gerichtet, optisch extrem zugänglich, mit Fantasy-Elementen, kurz – eigentlich so gar nicht meine Baustelle. Aber wie gesagt: gut gemacht. „Fineprint“ heißt der Band, getextet vom Kroaten Stjepan Sejic, gezeichnet auch. Und zwar so attraktiv, dass ich anfangs extrem skeptisch war.


Graumaus trifft Fickmichs


Ich meine: Schon im Vorsatz (fachdeutsch für die Doppelseite direkt hinterm Buchdeckel) ist eine Tante im Bikini mit hüfthohen Fickmichstiefeln und Spockohren, ein Typ im String-Tanga mit Fickmichauchstiefeln und Hörnern. Über beiden eine junge Frau mit Graumausbrille, die erst gar nicht hinsehen mag, dann aber hinsehen muss und staunt, und – hoppla! Da ist schon was Gutes: Der Gesichtsausdruck von Graumaus.


Illustration: Stjepan Seijic - Panini Comics

Erst ist sie erschrocken, abgestoßen und hält den Unterarm verkrampft vor die Augen. Dann lässt sie den Arm sinken, die Hand öffnet sich, ihre Augen sind groß und überrascht. Das ist gut getroffen. Und die Anatomie der Fickmichleute ist auch tadellos. Und jetzt erkenne ich: Das ist der Gegenschuss der Szene mit den zwei Fickmichs. Denn Graumaus ist im Bild unten zwischen den Fickmichs, aber mit dem Rücken zu mir, die beiden Gesichter von ihr sind ihre Reaktion, das ist clever gemacht.

Also gut, schauen wir rein!


Als erstes treffen wir Graumaus wieder. In einem Meer von pinkfarbenen Schmetterlingen. Graumaus läuft Blut aus Nase und Mund. Graumaus wird sterben. Ein dramatischer Anfang mit guter Optik: Nicht nur wegen der Pinkflut, auch der Bildschnitt ist wirklich überzeugend. Aber Graumaus ist nicht allein: Neben ihr kniet eine engelartige Frau und eine teufelartige Frau, beide streiten über irgendwas, das wir geschickterweise nicht lesen können. Dann erzählt uns Graumaus ihre ziemlich unverständliche Geschichte.


Dialoge wie bei Terry Moore


Im Himmel tobt offenbar ein Kampf zwischen den Cupids (die Leute mit Liebe infizieren) und irgendwelchen Succuben (die für die Geilheit sorgen). Die Menschen geraten irgendwie dazwischen, aber über all das kann ich hinwegsehen, weil Seijic den unverständlichen Unsinn in Dialogen ausbreitet, die allem Quatsch zum Trotz sehens- und lesenswert sind. Da passt das Gesagte, da passt jede Reaktion, die Gestik, die Mimik, als Vergleich fällt mir dazu am ehesten noch Terry Moore („Strangers in Paradise“) ein. Verstehen tu ich zwar noch immer nichts, aber ich kann mich jedesmal auf die Seite der Ahnungslosen schlagen und fühle mich trotzdem gut unterhalten.


Illustration: Stjepan Seijic - Panini Comics

Für eine Atempause sorgt eine (sehr verständliche) Liebesgeschichte einer jungen Dame mit Zahnspange, die Sejic geduldig und gewitzt einfädelt, und dann packt Seijic allmählich den Sex aus. Der spielt zwar wieder mal bei den verquasten Göttern, wird aber anregend und humorvoll inszeniert, was nochmal Bonuspunkte geben muss, weil Sex und Humor sich leicht gegenseitig die Wirkung nehmen können.

Tja, und da wären dann noch die Bilder.


Viel Platz, viel Farbe - beides gut genutzt


Das Schöne ist nicht nur, dass die Story statt im schwarz-weiß-kleinen Mangaformat albumgroß und bunt erscheint, sondern dass Seijic mit dem Platz und der Farbe auch was anfangen kann. Er gibt seinen Szenen Platz und Zeit, den Protagonisten seitengroße Splashes (auf denen sie auch was zu sagen haben, das man minutenlang ansehen möchte). Er arbeitet überzeugend mit Licht und Schatten, wodurch die hellen Farben auch immer wieder verführerisch glühen, strahlen, glitzern. Er wechselt Perspektiven, dass es nicht nur beim Sex eine Freude ist.


Und das ganze Wunder vollbringt er, wohlgemerkt, mit einer Story, bei der vermutlich nicht nur Fantasy-Laien häufig rätseln, ob es sich hier um komplettes Chaos handelt oder eher um groben Unfug. Und die man trotzdem eben nicht nur anschaut, sondern, noch größeres Wunder, sogar liest. Was anstrengend werden kann: Seijic ist seit über 15 Jahren im Geschäft – wem „Fineprint“ gefällt, der findet allerhand zum Weiterprobieren.





Sie wollen Ihren Senf dazugeben? Dann hier:


 

Keinen Beitrag mehr verpassen!

Gute Entscheidung! Du wirst keinen Beitrag mehr verpassen.

Empfehlenswert
Katrin Parmentiers Minzweb
Heiner Lünstedts Highlightzone
Tillmann Courth
News
Schlagwörter
Kategorie
Kategorien
bottom of page