Härtetest für Kindercomics (9): „Hände weg von unserem Wald!“ behandelt Umwelt kindgerecht. Julia (11) findet überraschende Vorteile

Ich habe kein richtig gutes Gefühl bei Nora Dåsnes' „Hände weg von unserem Wald!“: Zu lieb, zu gut gemeint, alles ein bisschen „Sei deine eigene Greta Thunberg“. Andererseits: Könnte auch im Trend liegen, also wer weiß?
„Die übertreibt manchmal!“
Die Geschichte ist zeitgemäß: An Baos Schule soll der nahe Wald abgerissen werden, um einen Parkplatz für Eltern und Lehrer zu bauen. Bao sitzt zwar als Schülervertreterin im Beirat, wird aber überstimmt. Und organisiert dann den Protest: Mit „Banner aufhängen“ auf dem Schuldach und allem drum und dran. Dann wird der Wald besetzt, die Eltern helfen mit, und es findet sich ein Fehler im Gutachten, wegen dem der Bau schließlich abgeblasen wird. Schön und gut gemeint, aber insgesamt schon sehr viel Schema F, denke ich. Und dass Bao in ihrer Spaßbremsenhaftigkeit der echten Greta ziemlich nahe kommt, mag zwar realistisch sein, fördert aber nicht meine Lesefreude.
Julia schlägt sich interessanterweise nicht komplett auf Baos Seite. Sie will zwar auch keinen Parkplatz, sagt aber: „Die übertreibt manchmal!“ Auf Dächer klettern würde Julia nicht. Und noch etwas übertreibt Bao: Sie textet soviel am Handy, und diese ganzen Chatverläufe fand Julia eindeutig langweilig.
Auch im Comic gibt's Filmfehler
Überhaupt gab’s bei Bao wenig zu lachen, dafür einige Fehler zu finden: Für ihre Klettertour braucht Bao ein Seil, um hoch zur Feuerleiter zu kommen. Aber kaum hängt sie an der Leiter, ist das Seil weggepackt. In die Hosentasche? Einarmig? Julia klettert selbst in der Halle und weiß: Das geht nicht. Und als Bao in den angeschwollenen Bach fällt, wird sie von ihren Freundinnen gerettet, die erst am Ufer stehen – zwei Bilder später ist das Ufer eine Insel.
Sieht nicht gut aus, denke ich – doch dann kommt plötzlich Lob: „Das Beste war Baos Klimabericht“. Leicht verständlich, prägnant, mit einleuchtenden Zeichnungen. Es ist eindeutig, dass Julia sich für ihre Referate was davon abgucken wird.
Die beste Stelle: Der Klimabericht.
Die niedlichste Stelle: Es wird nicht so richtig niedlich.
Nora Dåsnes, Katharina Erben (Üs.), Hände weg von unserem Wald!, Klett Kinderbuch, 18 Euro
Julias Entscheidung

Klimabericht hin oder her, „Alldine“ hat an der Spitze nichts zu befürchten. Auch „Zack!“ zittert nicht, erst bei „Boris, Babette...“ wird es interessant, und das führt dazu, das...
1. Alldine & die Weltraumpiraten
2. Das unsichtbare Raumschiff
3. Zack!
4. Hugo & Hassan forever
5. Boris, Babette und lauter Skelette
6. Hände weg von unserem Wald!
7. Trip mit Tropf
8. Willkommen in Oddleigh
9. Karl der Kleine: Printenherz
10. Superglitzer
... wird natürlich fortgesetzt
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Dicker Brocken: „Alldine & die Weltraumpiraten“ steigen ein ins Rennen um den besten Kindercomic – was sagt Julia (11) zu einem der Geheimfavoriten?

„Alldine“ ist eine Zukunftsgeschichte, paradoxerweise aus der Vergangenheit: Comic-Star Joann Sfar startete die Parodie-Serie „Sardine de l’espace“ vor gut 20 Jahren, der „Schaltzeit-Verlag“ hat sie ausgebuddelt, und jetzt gibt’s Teile davon unter dem Titel „Alldine & die Weltraumpiraten“. Das Titelmädchen reist mit seinem Piratenonkel Jack durchs All, das von den Schurken Supermuskelprotz und Dr. Knautsch beherrscht wird. Experten sagen: hoher Suchtfaktor, bei Kindern. Ich hab natürlich sofort was zu nörgeln: Der Schurke ist mehr so ein viel zu leicht überwindlicher Watschenkasper. Aber als Julia mit dem gelesenen Band zurückkommt, ist sofort klar: Alldine ist Titelkandidatin.
Da fehlt doch was – oder?
Das merkt man an den vielen Zetteln. Bei den Comics bisher suchte Julia angestrengt nach Stellen, an denen sie ihre Meinung festmachen konnte. Hier findet sie jede Menge. Und dabei hat „Alldine“ sogar einen Fehlstart! Julia findet einen faustdicken Continuity-Fehler. Drei Polizisten kommen in eine Weltraumbar, Onkel Jack haut den Chef k.o., und Alldine sagt, er solle sich als Polizeichef verkleiden, bevor die anderen beiden aufwachen. Hä? Die hat doch niemand ausgeknockt! Und warum hat Jack plötzlich einen Fleck auf dem Piratentuch?
Julia hat recht. Möglicher Grund: „Schaltzeit“ druckt nicht die Originalalben, sondern bedient sich querbeet am erschienenen Material. Weshalb die Auswahl auch mal zu lang für die standardisierte Buchseitenzahl sein könnte, und dann enden eben Teile der Prügelei in der Bar unterm Schneidetisch. Fände ich unelegant, ist Julia aber egal. Die anderen Zettel sind nämlich alle tolle Stellen!
Viel zum Lachen, viel zum Staunen
Allein die niedliche Katze, die jedes Abenteuer beendet, indem sie „Ende“ sagt. Und im ersten Abenteuer sagt sie sogar „Ende“ gleich am Anfang! Niedlich und lustig. Das Abenteuer, wo Julia den Figuren helfen muss, indem sie den Comic auf den Kopf stellt! Und wie der böse Dr. Knautsch befiehlt, dass nur noch zwei Figuren in einem Panel sein dürfen, und in jeder Sprechblase nur noch zwei Worte! Seltsam und super: Alldine und ihre Freunde wissen, dass sie selber in einem Comic sind! Und es gibt auch eine gruselige Stelle: Supermuskelprotz rupft nämlich allen Engeln die Flügel, um mit den Federn Kissen zu machen. Und das Rupfen, und die armen Engel mit den nackten Flügeln, die ihre eigenen Feder in die Kissen stopfen müssen, das findet Julia eigentlich zu heftig. Aber diese knallbunte Rundum-Mischung beschäftigt sie mehr als jeder Comic vorher, das sieht nicht gut aus für den bisherigen Spitzenreiter „Zack!“.
Die beste (weil lustigste) Stelle:
Die ganzen drei Zwei-Worte-pro-Sprechblase-Seiten, die Julia kichernd vorliest.
Die schönste Stelle:
Wie Alldine von einem Panel in das daneben hüpft.
Julias Entscheidung

Ein harter Kampf. Eine Gewissensprüfung. Weil „Zack!“ auch gute Stellen hat, und vor allem: Die Zeichnungen sind irgendwie hübscher. Julia ziert sich lange hin und her, weil, man muss ja fair sein und gerecht bleiben und alles, aber dann...
1. Alldine & die Weltraumpiraten
2. Zack!
3. Boris, Babette und lauter Skelette
4. Superglitzer
... wird natürlich fortgesetzt
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Wie gut ist das Juniorformat der neunten Kunst ? Heute startet die gefürchtete Challenge 2023 mit der unerbittlichsten Prüferin von allen: Julia (11)

Sie erinnern sich? 2020 saß Julia mit fast neun Jahren gelangweilt im Corona-Lockdown - die ideale Zeit, um Comics zu testen. Heute ist Julia elf, nicht mehr in der Grundschule, sondern im Gymnasium. Comics liest sie immer noch, und es sind inzwischen auch ein paar Klassiker dazugekommen. Nach den Kindercomics hat sie im Rekordtempo alle Asterix-Bände weggelesen. Und ein paar Gaston-Alben, aber da hab ich nicht so viele. Was sie für die neue Runde 2023 zu einer deutlich erfahreneren Kritikerin macht...
Unter schwarzer Flagge: Zack!
Wir beginnen mit dem Band „Zack!“ von Volker Schmitt und Màriam Ben-Arab. Darin fährt die kleine Bonny mit ihrer Familie ans Meer. Dort folgt sie in der ersten Nacht einer einäugigen Katze, findet am Strand einen bewusstlosen Piraten, den sie mit einem Floß zu seinem Segelschiff zurückbringt, wo er die Kontrolle über seine meuternde Mannschaft zurückgewinnt. Dann kehrt sie zu ihrer Familie zurück.
Das ist schwungvoll gezeichnet, munter lesbar, aber mir geht alles eine Spur zu einfach. Bonny löst alle Probleme wie ein Ein-Mädchen-Tick-Trick-und-Track, es gibt keine richtigen Konflikte. Schmitt und Ben-Arab wollten eben ein Kind im (alten, nicht modernen!) Piratenumfeld, und so geschah es. Aber was mich stört, ist Julia egal. Zack wird in einem Rutsch durchgelesen. Ein bisschen irritiert Julia am Ende die Erzählzeit: Bonny war ganz schön lange weg. Als sie zurückkehrt, benehmen sich ihre Eltern, als wär’s nur über Nacht gewesen. Aber für einen Traum ist Bonny zu schmutzig, und sie schreibt Zack doch auch noch eine Flaschenpost, die der dann sogar liest, wie geht das zusammen?
Das Urteil bleibt zunächst aus, weil: Noch fehlt der Comic, mit dem Julia „Zack“ vergleichen könnte (siehe unten).
Die beste, weil lustigste Stelle: Das Boot mit dem ausgesetzten, bösen Piraten und seinem Papagei sinkt. Der Pirat jammert, dass er nicht schwimmen kann. Dem Papagei fällt ein: „Aber ich kann ja fliegen.“
Die niedlichste Stelle: Wie die einäugige Katze kotzt.
Volker Schmitt, Màriam Ben-Arab, Zack, Kibitz Verlag, 15 Euro
Boris, Babette und lauter Skelette

Dieses Haustier ist ein Traum: Babette, gelb, ein bisschen affen-und katzenhaft, schläft viel, kackt nicht, frisst wenig, kann sprechen – sowas hätte ich als Kind auch gern gehabt. Die Halterin muss aber zum Studienjahr nach England und schwatzt das Tier dem Nachbarsjungen Boris auf. Doch weil Babette die Gothic-Deathmetal-Deko der Vorbesitzerin gewöhnt ist, braucht sie jetzt auch bei Boris eine Schauder-Umgebung. Klar: Die Haustier-Problematik ist hier gar nicht so zentral. Es geht eher um Heimlichkeiten, ums Verstecken, das Reden mit den Eltern. Das allerdings in recht hübschen Varianten.
Julia liest auch „Babette“ gern durch. Aber die Bilder aus „Zack“ gefallen ihr besser. Was mich überrascht: Die Haustier-Problematik ist für sie eher zweitrangig, obwohl auch Julia gern einen Hund hätte. Entscheidend ist, ob die Geschichte lustig ist oder spannend, und ob sie und gute Wendungen hat. Dass Babette einen Sprachfehler hat und dem bösen Mitschüler Flo eine clevere Falle stellt ist also wichtiger als die Haustier-Lösung „Babette wohnt beim Opa und man kann sie immer besuchen“.
Die beste (weil lustigste) Stelle: Wie Boris mit seiner Mutter redet, die aber im Arbeitsstress ist und ihm lauter wirre Sachen sagt. Wie: „Vergiss nicht Abendbrot und komm zum Helmaufsetzen nach Hause!“
Die niedlichste Szene: Wie Babette aus Boris' Rucksack rausschaut.
Tanja Esch, Boris, Babette und lauter Skelette, Kibitz Verlag, 20 Euro
Die erste Entscheidung
Nach Tag zwei stellt sich erstmals die Frage: Wenn Julia einen Comic an eine Freundin verschenken dürfte, welcher wäre es? Julia knobelt länger als erwartet und entscheidet dann:
1. Zack
2. Boris, Babette und lauter Skelette