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Die Farbschleuder

Fette Striche, ölige Farben – und manchmal die Anmutung einer explodierten Ampel: Dinah Wernlis aufregend-ansehnliches Experiment „Louise“

Illustration: Dinah Wernli - Edition Moderne
Illustration: Dinah Wernli - Edition Moderne

Ein echter Blick-Fang: „Louise“ hab ich im Schaufenster der Buchhandlung in meinem Viertel gesehen, ein Hin-Gucker mit knalligen Farben, vor grünem Hintergrund lugt ein glutrotes Frauengesicht über einen zitronengelben Wischer als wäre eine Ampel zu einem Bild explodiert.


Background für den Bachelor

Das Gesicht gehört Louise Grütter, einer Schweizer Bäuerin, die vor 150 Jahren mal ihrem Nachbarn Modell gestanden hat – dem Maler Cuno Amiet. Die Künstlerin Dinah Wernli hat sich für ihre Bachelorarbeit zu dieser Episode eine Background-Geschichte ausgedacht und sie mitreißend umgesetzt, wortwörtlich. Denn ich gebe gern zu: Die Story alleine haut mich noch nicht gerade vom Sitz. Wernlis Lust und Energie aber umso mehr.


Präzise Unschärfe


Ihre Panels sind groß, entweder ganz- oder doppelseitig. Und auf dieses eine Bild pro Blatt wirft sich Wernli jedes Mal mit Schwung, Abenteuerlust, Farbfreude und dem gefühlt dicken Strich eines Tapezierpinsels. So entstehen gigantische Flächen, gerne auch mal sprühend gekleckst, verschwommen und präzise zugleich. Tatsächlich braucht es des öfteren einige Sekunden, bis sich aus dem verschmierten Chaos eine Figur schält, eine Frau, die ein Kind stillt, eine Menschengruppe, eine Kuh, bei der man sich – kaum dass man sie erkannt hat – sofort wundert, wie man sie jemals übersehen konnte.


Schlaglichter mit dem Tapezierpinsel

Spätestens hier ist allerdings auch eine Einschränkung angebracht: „Louise“ eignet sich nicht für alle Comicfans. Man kann sogar streiten, ob „Louise“ ein richtiger Comic ist, schließlich gibt’s nicht mal Sprechblasen. Meist stehen auf der linken Seite nur zwei oder drei lakonische Textzeilen, nüchtern gesetzt, und rechts gibt’s dann eben ein Bild. Hier wird eher in Schlaglichtern erzählt als in Szenen. Und wen die ungewöhnlichen Bilder stören, der wird wenig Freude haben. Dabei können diese Panels sogar doppelt spannend sein.


Wernlis Weiß


Denn neben der pfiffigen Motivwahl, die munter zwischen Landschaften, Porträts, Totalen und unerwarteten Details (melkende Hand!) durchwechselt, ist auch die Herstellung ein spannendes Rätsel.

Wässrige Breitstreifen, muntere Tupfen und Kleckse, aber immer wieder auch ölige Filme – keine Ahnung, wie sich das rein technisch miteinander verträgt, aber es muss munter zugehen in Frau Wernlis Farbschleuder-Atelier. Mein Lieblingselement: Wernlis Einsatz von Weiß, also unbemalter Fläche. Wie sie das mit derartig fetten, farbgetränkten Pinseln präzise bis zur Wäscheleine-Kontur hinbekommt, wie sie überhaupt mit so viel Fläche, Feuchtigkeit und Farbe so viel Exaktes hinzaubert, da zu staunen und zu knobeln ist schon eine rechte Freude. Die mir so viel Spaß gemacht hat, dass ich es einfach nicht übers Herz brachte, diesen geradezu halsbrecherischen Kunst-Knaller wegen seiner Ungewöhnlichkeit zu den Outtakes zu stecken. Viel Spaß!

 





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