- 22. Aug. 2019
Batman ist 80 und hat ein Problem: In seinem Universum läuft ihm der Joker den Rang ab – denn der Dunkle Ritter schmort heute viel zu oft im eigenen Saft

Was macht eigentlich Batman so? Kann man ja mal fragen, nicht wahr, hat ja grade Geburtstag gehabt. 80 ist er inzwischen, theoretisch natürlich, praktisch hat ihn nicht mal Frank Miller über die 70 hinaus altern lassen, ansonsten ist er nach wie vor irgendwo zwischen 30 und 40. Einschränkungen und Gebrechen gibt’s somit nicht, also: Was tut der Kerl derzeit? Also: in seinen Comics?
Wie? Dasselbe wie immer? Tststs, da erkennt man schon den Laien – Batman ändert sich natürlich, die Welt ändert sich ja auch. Allein schon die Batmobile: Seit Jahrzehnten dasselbe rote Auto mit 313 aufm Nummernschild – das geht bei Onkel Donald, aber nicht bei Batman. Schauen wir also mal nach: in zwei Bände „Batman Metal“, in den „Weißen Ritter“ (alles ab 2017 erschienen), in den „Joker-Riddler-Krieg“ (2016), „Batman vs. Deathstroke“ (2019) sowie in einen Band „Niemandsland“ (2000).
Vor allem eins muss die Story heute sein: länger
Als Erstes stellt man fest: Die Zeit der kurzen Geschichten ist vorbei. Die Storyline muss mehrere Hefte überspannen, auch deshalb lassen sich die Geschichte leicht in Sammelbänden bündeln. Hat allerdings den Nachteil, dass man als Einsteiger stets das Gefühl hat, dass einem Informationen fehlen.
In „Batman Metal“ etwa forscht Batman nach irgendwas, was ein flüssiges Metall mit ihm angestellt hat. Falkman kennt das Metall, Superman hat für Batman was aufbewahrt, Wonderwoman gibt Batman ein Flammenschwert mit schönem Gruß von den Göttern und dann müssen sie alle in einer Arena kämpfen und werden zu einer Art Transformerroboter – HÄ??!?!? Ich versuche die Lücken mit Wikipedia zu schließen, mit mäßigem Erfolg. Der zweite „Batman Metal“-Band führt mich in ein Multiversum, in dem Batman munter mit verschiedenen anderen Superhelden verschmilzt, es gibt einen Flashman, einen Green Lantman und staunend lerne ich, dass sie Batman derzeit munter über alles kippen wird wie Fledermaus-Ketchup. Aber vielleicht war auch der Zeitsprung zu groß.
Grüße von der "Klapperschlange"
Versuchen wir’s mal mit „Niemandsland“, knapp 20 Jahre alt. Gotham City, bekanntlich eine Insel wie Manhattan, wurde von einem Erdbeben zerstört, die Regierung hat aus John Carpenters "Klapperschlange" gelernt, dass die einzig vernünftige Lösung so aussieht: Man gibt die Stadt auf, bricht alle Brücken ab, alle Superschurken dürfen sich munter drin tummeln, Lex Luthor übernimmt den Wiederaufbau und der Dunkle Ritter macht sich Sorgen um die Baugenehmigung, während Batgirl im Rollstuhl neben ihm sitzt, sie ist sowas wie Batmans Telefonistin, du lieber Himmel.
Na gut, „Batman vs. Deathstroke“ (2019): Deathstroke ist ein Auftragskiller. Damit hat Batman offenbar kein Problem, er sabotiert Deathstrokes Arbeit erst, als der die Vaterschaft für den gerade amtierenden Robin ablehnt. Interessante Prioritäten setzt Batman heute. Vielleicht resigniert er aber auch selber, weil sie mit ihm einfach alles machen können – und auch tun. In „Der Weiße Ritter“ stempelt der Joker Batman in wenigen Tagen zum Bösewicht (da staunt selbst Batgirl, mittlerweile wieder gut zu Fuß), im „Joker/Riddler-Krieg“ ist Batman allenfalls Statist: Hauptsächlich sorgt sich Riddler um Joker, weil der so gar nicht mehr lacht, es ist zum – Schluss, aus. Gerade mit der Schimpferei.
Mit Batman kann man inzwischen alles machen
Man muss sagen: Die letzten beiden Bände sind sogar recht unterhaltsam, zeigen aber auch das Problem auf. Vor allem der Joker ist inzwischen die stärkere Marke, weil er in seinem Irrsinn immer gleich rätselhaft blieb – kein Wunder, dass Hollywood ihm den nächsten Blockbuster gönnt (und den dunklen Ritter darin komplett weglässt). Batman hingegen zehrt derzeit nur von der Erinnerung an seine starken Phasen. Und die hingen von zweierlei ab: Optik und Realismus.
Die Optik bekam niemand stärker hin als Neal Adams. Gut, die heutigen Zeichner sind durch die Bank überdurchschnittlich. Aber bei ihnen gilt: Viel hilft viel. Viel Action, viel Bodybuilding, viele Superhelden, viele Posen. Es genügt aber nicht, Batman von einem Hochhaus über die Stadt blicken zu lassen. Adams nutzte den Mond, die Nacht, die Schatten, sein Batman war der einzige Lichtblick einer düsteren, zwielichtigen, zwiespältigen Welt. Zusätzlich ist Adams ein Meister der Körperhaltung, sein Batman konnte so entschlossen stehen wie verzweifelt kauern, er zeigte wortlos Wut, Mut, Beherrschung, Geduld.
Neal Adams' Batman kämpfte wie Gene Kelly tanzt
Adams nutzte zudem gern den Moment vor der Action: Batman, bevor er springt, bevor er eine Hürde überwindet. Oft unterschätzt: wie sein Batman lief, elegant und zugleich kraftvoll, so wie Gene Kelly tanzt. Und obwohl Adams‘ Batman mit die absurdesten Stories bekam, war er doch stets der Batman, dem man sich am bereitwilligsten anvertraut hätte.
Mit dem Realismus ist das hingegen so eine Sache: Realismus bedeutet, dass Batman sich in einer echten Welt bewegt und sich der Ängste normaler Menschen annimmt. In den 50ern, 60ern, 70ern, 80ern die Furcht vor Diebstahl, Drogen, Erpressung, der Mafia. In der großartigen „Rückkehr des Dunklen Ritters“ (1986) schützt Batman Kinder, Nutten vor Gangkriminalität. Und den Joker bekämpft er, weil der vorgeht wie ein moderner Terrorist, nicht weil er und Joker Beziehungsprobleme haben. Aber genau das ist an Batman heute so enttäuschend: Er befasst sich nicht mit der Welt, nur mit sich selbst.
Neue Befindlichkeiten statt moderner Verbrechen
Dabei gäbe es für ihn mehr Gegner denn je: Pharmahersteller, die US-Patienten mit Opioiden wissentlich in die Sucht behandeln. Waffenhändler im Darkweb. Islamistischer Terror. Rechtsextremer Terror, bei dem Polizisten hilfreich zuarbeiten. Kinderpornographie, bei der bizarre Ermittlungsfehler das Vertrauen in die Polizei untergraben. Ein rassistischer Präsident, vom Ausland an die Macht gehackt und abgrundtief verlogen. Clanstrukturen, die auf Einschüchterung setzen, No-Go-Areas – Unrecht, das formal schwer nachzuweisen ist, aber umso realer vorhanden. Kurz: Batmans eigentliche Baustelle.
Unser 80-Jähriger duckt sich davor weitgehend weg. Und solange er sich nicht wieder aufs Kerngeschäft konzentriert, sind von der Neuware vor allem die Joker-Experimente am empfehlenswertesten. Neben der sehr unterhaltsamen Anthologie. Und nach, immer noch, der grandiosen Neal-Adams-Collection, deren zweiter Band gerade erschienen ist.
Batman: Neal Adams Collection, Bd.1-2, Panini, ab 22 Euro Batman Metal, Panini, ab 24 Euro Batman: Der Joker/Riddler-Krieg, Panini, 19,99 Euro Batman: Anthologie, Panini, 29,99 Euro Batman: Der Weiße Ritter, Panini, 22 Euro Batman vs. Deathstroke, Panini, 15,99 Euro Dieser Artikel erschien am 22. August 2019 bei SPIEGEL Online.
- 7. Juli 2019
Erfolgreich, derb und einfühlsam: Die Serie „Die alten Knacker“ setzt auf Unterhaltung mit greisen Hauptdarstellern – und macht dabei viel, viel mehr richtig als falsch

Man kriegt’s einfach nicht aus dem System: Diesen Gedanken, dass etwas nicht gut sein kann, weil es so kommerziell aussieht. Und dann verkauft sich’s auch noch exzellent, also ist es wahrscheinlich gleich dreimal nichts. Kurz: Ich bin eher zufällig auf „Die alten Knacker“ gestoßen. Aus eigenem Antrieb hab ich nicht reingeguckt, weil: Ich fand den Namen schon mal scheiße, das Cover blöd, und so sehr ich „Harold and Maude“ mag, so sehr hab ich mir an drei Fingern abgezählt, was in den „Alten Knackern“ vermutlich für idiotische Furzwitze drin sind. Nach fünf Bänden muss ich sagen: falsch gelegen. Nicht völlig, die „Alten Knacker“ sind kein pures Gold, aber es finden sich erstaunlich viele richtig fette Nuggets.
Eigenwillig, aber nicht lächerlich
Zentrale Figuren sind die drei Herren Antoine, Pierre und Emile. Zeichner Paul Cauuet karikiert sie eigenwillig, aber nicht lächerlich, mit uncharmanten Bäuchlein, mit Körperhaltungen, die einem das Leben mit den Jahren reindrückt, mit franquin-typisch prägnanten Händen und Gesten. Die drei kennen sich seit ihren Jugendtagen aus einem Dorf in Frankreich. Emile, Ex-Seemann, wohnt in einem Heim, Antoine genießt seinen Ruhestand im Dorf, Anarchist Pierre lebt inzwischen in Paris und organisiert dort die Aktionen einer Gruppe von greisen Aktivisten. Und, okay, gleich am Anfang fährt Pierre derart rücksichtslos mit dem Auto zur Trauerfeier von Antoines Frau, dass man humoristisch das Schlimmste befürchtet.
Aber Szenarist Wilfried Lupano nutzt die Alterswitze nur als Einstiegshilfe. Emile hat aus dem Altersheim sein Vollkornbrot eingepackt, Pierre greift ununterbrochen zur Hupe, weil er gemerkt hat, „dass die Leute dann besser aufpassen.“ Sehr schnell führen Antoine, Emile und Pierre aber erfreulich normale Gespräche, und hier kommt das erste große Goldstück.
Der Trick: Figuren mit authentischer Vergangenheit
In häufigen, eindringlichen Rückblenden nehmen Lupano und Cauuet ihren Figuren die verzerrende Skurrilität des Alters: Antoine war ein dynamischer, gut aussehender überzeugter Gewerkschafter, und die verstorbene Lucette ein gewitzter Feger mit eigenem Marionettentheater. Pierre trauert Bonny nach, seiner großen Liebe: Es gab sie nur kurz, während der Algerien-Proteste Anfang der 60er, aber was war das für ein herrlicher Kampf, was war das für eine Frau! Emile fuhr zur See und tauchte mit seinen Freunden nach Schätzen. Und plötzlich, nach der Rückkehr in die Gegenwart, sind diese Greise nicht mehr stur oder verschroben, verhutzelt oder verbittert: Sie sind keine Klischees, keine Witzfiguren, sie sind Menschen, von einem richtigen Leben geformt.
Triebfeder vieler dieser Entdeckungen ist Sophie, die Enkelin von Antoine, sie ist schwanger und keiner kennt den Vater. Sophie hat sich entschlossen, Omas Marionettentheater zu übernehmen, sie bleibt im Dorf und stolpert notgedrungen über viele alte Freundschaften und Fehden – das nächste Goldstück. Kaum etwas davon ist überlebensgroß, hinter vielen Geheimnissen stecken alte Kränkungen, Enttäuschungen, Missverständnisse, wenig davon erschien in dem Moment, in dem es geschah, so groß wie es später sein wird. Es fällt schwer, beim Lesen da nicht auf Parallelen im eigenen Leben zu stoßen. Doch bevor man in tiefe Melancholie stürzt, gibt’s Goldstück Nummer drei.
Einfallsreiche Querulantentruppe
Die Aktionen von Pierrots Querulantentruppe sind abgedreht, aber sie sind denkbar und einfallsreich. Nörgelnd und sehbehindert sprengen sie politische Empfänge und Versammlungen, im Bienenkostüm übergießen sie Pestizid-Aktionäre mit Honig, sie bekämpfen Umweltschützer für Arbeitsplätze, setzen sich für Flüchtlinge ein und gegen Steuerparadiese. Alles wird gelenkt aus der „Insel der Freibeuter“, einer selbstverwalteten Seniorengruppe in einem Pariser Gründerzeithaus, wo man sich von kostenlos wohnenden Jugendlichen betreuen und mit Hackerkenntnissen versorgen lässt.
Lupano greift eine Menge aktueller Themen auf, nutzt sie clever und keineswegs nur einseitig: Eine der schönsten Zumutungen ist das Wiedersehen des Anarchisten Pierre mit einer ehemals von ihm betreuten Schülerin. Sie hat ihren Platz in der Gesellschaft gefunden – allerdings ausgerechnet als Polizistin.
Wer nörgeln will, muss lange suchen
Ein ganz eigenes Goldstück ist die Panelauswahl- und ausstattung: Lupano/Cauuet haben nicht nur eine beeindruckende Vielzahl von Kameraperspektiven im Portfolio, sie spendieren vielen Szenen kleine Nebenhandlungen, Räume und Wohnungen sind so detailreich ausgestattet, dass man sie beinahe riechen kann, und es sagt ja auch allerhand über die Protagonisten aus, ob sie zum Kaffeekochen eine Kapselmaschine nutzen oder die alte, angelaufene achteckige Aluminiumkanne. Nein, wirklich wahr: Wer nörgeln will, muss lange suchen.
Tatsächlich findet sich ein einziges handfestes Manko: die unglaublich hohe Dichte an belastbaren, flexiblen, raffinierten Senioren. So sehr es stimmt, dass 70 die neuen 60 sind und altes Eisen oft sehr rostfrei ist, so sehr müsste man auch – gerade wenn man richtig viele Senioren zeigt –deutlich mehr begegnen, die das Tempo schlichtweg nicht mehr mitgehen können. Es ist eben ein Stimmungskiller: Obwohl die Welt von Antoine, Pierre und Emile durchaus möglich ist – so richtig wahrscheinlich ist sie nicht.
Aber hey: Sie ist wahrscheinlicher als vor 30 Jahren.
Wilfried Lupano/Paul Cauuet, Die alten Knacker, Splitter Verlag, Bd.1-5, ab 14,80 Euro
Dieser Text erschien erstmals bei SPIEGEL Online.
- 11. Juni 2019
Westerntitel feiern im Comic ein Comeback: Die Verlage legen Klassiker neu auf oder beleben das Genre neu. Lesen Sie, wo Sie ziehen sollten – und wo Sie steckenlassen können
Liegt’s am ziemlich hervorragenden Videospiel „Red Dead Redemption 2“? An der Suche nach einfachen Problemen und klaren Lösungen? Denn obwohl Western bei Kindern angeblich out sind, im Comic-Bereich sprudeln sie derzeit geradezu. Der „Tagesspiegel“ hat kürzlich eine Sammelgeschichte gemacht, und schon jetzt kann man wieder eine schreiben, ohne große Gefahr von Doppelungen. Sechs Titel finden Sie hier, die perfekte Anzahl, wie wir vom glorreichen Halunken Clint Eastwood wissen. Nicht alle sind top, aber jeder hat natürlich seinen eigenen Geschmack. Und jeder Revolver seinen eigenen Klang.
Punkte sammeln mit Nebel

Antonio Hernandez Palacios wird alt. Nicht schlecht, aber er scheint Mitte der 80er ein bisschen die Lust verloren zu haben. Der dritte „Mac Coy“-Sammelband lässt die absoluten Glanzpunkte vermissen, die aufregend inszenierten Seiten, die völlig aberwitzigen Farbkombinationen. Und die Storys sind immer noch nicht wirklich erstligatauglich. Diesmal pfuscht ihm die Geschichtsbegeisterung besonders deutlich ins Handwerk: Weil Mac Coy ja öfter historische Begebenheiten miterleben muss, wird diesmal deutlich, dass der Held längst über 20 Jahre hätte altern müssen – das wird dann schon etwas sehr wurschtig ignoriert. Aber trotz aller Nörgelei: Noch immer liefert jeder Band von Palacios einen wundervoll zerknitterten, verranzten, staubig verschwitzt stinkenden, authentischen Wilden Westen und gelegentlich auch etwas richtig Neues: Nach einer wundervollen Seite im strömenden Regen verlässt Palacios seine bewährte Strichtechnik. Für drei Seiten im dichten Nebel wechselt er zu Punkten, und das allein ist schon fast wieder den ganzen Band wert.
Mehr Möpse als Kawumms

Auf Anhieb erinnert der Stil von Paolo Eleuteri Serpieri ein wenig an Palacios. Und was die Stories angeht, sind sie vergleichbar nichtssagend. Aber Serpieri zeichnet sauberer, und was Action angeht, ist er in „Lakota“ zurückhaltender: Entweder liegt sie ihm nicht, oder er zeichnet einfach gern seitenweise Dialoge. Nachdem die aber mäßig sind und er nicht über allzu viele Inszenierungsideen verfügt, hat man sich rasch sattgesehen. Das hinterlässt eine rechte Enttäuschung, denn vom Untergang General Custers am Little Big Horn erwartet man doch ordentlich Drama und Kawumms. Da ist es nicht ungeschickt, dass Serpieri nie sein Haupt-Standbein vergisst, das Fantasy-Epos Druuna: Bei Serpieri besteht immer die Möglichkeit, dass einfach mal enorme Frauenbrüste ins Bild ragen. Muss man mögen. Paolo Eleuteri Serpieri, Lakota, Schreiber & Leser, 29,80 Euro
Die richtigen Vorbilder sind nicht genug

Lincoln, ein übellauniger Faulpelz begegnet dem lieben und goldgräberartig verlotterten Gott, der ihm die Unsterblichkeit schenkt und nebenher irgendeine fragwürdige Sache mit dem Teufel laufen hat. Eine Parodie also, und sie klaut bei den richtigen Vorbildern: Jerome Jouvray orientiert sich zeichnerisch an Christophe Blain, sein Bruder Olivier für das Szenario an Lewis Trondheim. Zündet leider nicht, weil: zu viele Konstruktionsfehler. Gott will Lincoln zum guten Menschen und Helden machen, Lincoln stört das aber nicht. Hm. Lincoln will meist seine Ruhe, macht aber doch meist was Gott will. Soso. Es gibt jede Menge Action, aber Lincoln riskiert als Unsterblicher ja nichts. Puh. Dazwischen sorgen ein paar ordentliche Gags und ein paar richtig heftige Szenen für allgemeine Unentschlossenheit. Schade eigentlich, ein neuer Lucky Luke (so wird „Lincoln“ gelegentlich beworben) wäre nett gewesen – aber das ist Lincoln leider nicht. Olivier, Jérôme & Ann-Claire Jouvray, Lincoln, Schreiber & Leser, Bd.1-2, je 14,95 Euro
Rasanter Rollentausch mit Revolver

Ist das ein Western? Eigentlich ist „Mondo Reverso“ was ganz anderes: Eine Geschlechterdebatte, für die Dominique Bertail und Arnaud le Gouëfflec einfach die angestammten Rollen vertauscht haben. Die Frauen haben die Hosen und die Revolver, die Männer die Kleider. Die Vorurteile sind dieselben, bloß umgekehrt: Männer haben immer Kopfschmerzen, Frauen saufen und furzen. Erstaunlich ist, wie weit Bertail/Gouëfflec mit diesem eigentlich recht banalen Dreh kommen – weil es zeigt, dass vieles bleibt, wie es ist: Die Verunsicherung, sich als Mann oder Frau falsch zu verhalten, die eigene Verblüffung, weil es plötzlich Frauen sind, die sehr detailreich Köpfe wegballern und sich einen Dreck um Männer scheren. Wie gesagt: Ein simpler Dreh, und dennoch ist das Ergebnis überraschend irritierend und häufig auch komisch. Aber ist das ein echter Western? Eher zufällig, das Setting hätte man auch im Weltraum oder im ritterlichen Mittelalter durchspielen können. Die Landschaften sind dennoch sehr ansehnlich geraten, und harte Frauen, die einen Revolver, eine Winchester oder einen Sattel herumtragen, einen vollbärtigen Typ im Kleidchen hinter sich herziehend, all das wirkt natürlich deutlich cooler mit einer Zigarette oder Eastwoods Zigarillo zwischen den Zähnen – und den gibt’s im Weltraum eher selten.
Rache und Radau

Ein einarmiger Held in einer völlig verwahrlosten Welt: Klingt ein bisschen nach „Für ein paar Dollar mehr“, und es gäbe schlechtere Vorbilder. Leider fehlt jede Doppelbödigkeit, und damit morden und vergewaltigen die Schurken letztlich nur noch, damit es einen guten Grund zur Rache gibt. Das Ganze kommt in hübschen, aber letztlich handelsüblichen Bildern. Nice to have, genauso nice to have not.
Lederstrumpf mit Schatzinsel-Aroma

Klassisch, aber neu: „Corto Maltese“-Schöpfer Hugo Pratt hat die Serie „Ticonderoga“ gezeichnet, von Hector Oesterheld („Eternauta“) stammt die Story um den titelgebenden jungen Waldläufer, die in den 50ern in Argentinien erschien. Wir sind im britisch-französischen Krieg um Nordamerika, Lederstrumpf-Szenario also, aber aus Jungen-Sicht, der „Schatzinsel“-Perspektive. Das ist gleich dreifach gut: Einerseits sympathisch altmodisch, wird andererseits gerade in Anbetracht des jungen Zielpublikums erstaunlich schonungslos gestorben und getötet. Und Pratt tuscht die Action „Prinz Eisenherz“-würdig, Natur und Landschaft mit viel Sinn für großes Kino, und all das in erstaunlich lebendigem schwarz-weiß, obwohl ihm das Querformat anfangs nicht mal Platz für Splashes lässt. Erstmals auf deutsch, schön gebunden, im Schuber mit vielen Extras – Zeit war’s!