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Comicverfuehrer

Nach Johnny Cash und Elvis widmet sich Top-Zeichner Reinhard Kleist jetzt Nick Cave: Das Problem: nischenhafte Musik erschließt sich im Comic nur schwer


Illustration: Reinhard Kleist - Carlsen

Kennen Sie Nick Cave? Aber nicht nur vom Namen her. Können Sie Ihm ein paar Lieder zuordnen? Und finden Sie diese Lieder auch gut? Dann wird Ihnen der neue Comic von Reinhard Kleist vermutlich gefallen. Aber, so fürchte ich, nur dann. Da kann aber Herr Kleist nichts dafür, oder wenigstens nicht viel: Das ist die Schwierigkeit mit Künstlerbiographien im Allgemeinen und mit Musikerbiographien im Besonderen. Jedenfalls wenn man nicht einen der ganz Großen nimmt, Picasso, Goethe, Beatles, um mal ein paar Hausnummern zu nennen. Und da hilft es auch nur begrenzt, dass Reinhard Kleist selbst ganz zweifellos ein Guter ist.


Explosiv, einfallsreich, schön düster


Zwei Max-und-Moritz-Preise hat er schon im Regal, neben mancherlei anderem, und wenn man durch den Comic blättert, merkt man schnell: Die Preise sind da schon beim Richtigen gelandet. Kleist zeichnet schwarz-weiß, explosiv, einfallsreich, manchmal schön düster, oft sehr Will-Eisner-mäßig, wodurch seine Figuren dem Betrachter immer auch die hauchdünne Möglichkeit der Karikatur eröffnen. Aber in diesem Fall zeichnet er geradezu chancenlos gegen sein Thema an.


Nick Cave (der dieses Jahr 60 wird) ist eine Art Kultmusiker, Schriftsteller, sicher auch Wegbereiter für irgendwas, aber ich zum Beispiel kann mich nicht erinnern, jemals freiwillig was von ihm gehört zu haben. Und wenn ich was von ihm gehört habe, dann meistens, wenn er einen ohnehin schon recht grauen Film von Wim Wenders noch ein wenig düsterer machte. Wobei – das muss per se kein Hindernis sein: Milos Formans „Amadeus“ habe ich auch gemocht, obwohl ich mit Klassik wenig anfangen kann. Wo also genau liegt das Problem?


Cave-Neulingen fehlt eine entscheidende Zutat


„Amadeus“ funktioniert, weil die Geschichte vom Wettstreit zwischen dem ordentlichen Komponisten und dem chaotischen Genie auf Musik nicht angewiesen ist. Es könnten genauso gut Bildhauer sein, Tennisspieler, Bulettenbrater. Es ist möglich, dass auch Nick Cave eine solche Geschichte hergäbe, aber wenn, dann hat Reinhard Kleist sie nicht gefunden. Die Geschichte, die er erzählt, handelt von einem jungen australischen Musiker, der stets nach Extremen sucht. Und das ist leider nichts Ungewöhnliches.


Überall suchen Künstler irgendwelche Extreme, Nichtkünstler auch, eigentlich kennt doch jeder aus seiner Schulzeit mindestens einen oder zwei Typen, die auch in schwarz herumrannten und so ziemlich dasselbe Problem hatten. Interessant werden diese Schicksale aber meist erst im Nachhinein: Macht der Typ danach etwas, das mich anspricht oder verkauft er heute Heilsteine zur energetischen Aufladung von Leitungswasser? Und Reinhard Kleist tut sich deshalb so schwer, weil Caves Musik für erheblich weniger Menschen so attraktiv ist wie die von, sagen wir, Johnny Cash oder Elvis (die Kleist beide schon bearbeitet hat).


Kleist gibt alles - aber diesmal reicht es nicht


Man kann nicht sagen, dass er sich nicht richtig reinhängen würde: Kleist lässt sich eine Menge einfallen. Er arbeitet mit mehreren Zeitebenen, er liefert Bilder, die sich schön ins Gedächtnis brennen wie den verzweifelt im Zimmer sitzenden Cave, durch die Adern seiner blassen Arme fließt schwarze Tinte, und seine Hände verwachsen mit dem auf dem Boden verstreuten Manuskript.


Er verarbeitet Songtexte zu Bildern und lässt Cave durch den schier endlosen Schnee und den Regen Berlins tappen, weshalb man all das gerne ansieht, aber trotzdem nicht so recht weiß, warum man’s lesen soll. Cave ist weiter auf Sinnsuche, er hat nicht richtig Erfolg, er verhungert aber auch nicht, undsoweiter undsoweiter, immer wieder zeigt sich, dass man Cave faszinierend finden muss, um die Geschichte faszinierend zu finden. Und so richtig deutlich wird der Fehler der Konstruktion erst, wenn man im Internet nach Videos sucht.


Erst mit Youtube gelingt der Kontakt zu Cave


Musik kann man nicht zeichnen, weil der Leser sie nur dann korrekt lesen kann, wenn er sie selbst kennt. Kleist lässt etwa Caves Band „The Birthday Party“ ihre Texte in rasiermesserscharfen Spruchbändern durch die Schädel des Publikums schlitzen, ein starkes Bild, das aber nicht weiterhilft, wenn man beim Anhören kein eigenes Schlitzerlebnis vorfindet. Dafür zeigt sich, dass Nick Cave auf der Bühne und selbst noch im Videoschnipsel eine morbide, selbstbewusste, aufregend irritierende Faszination ausstrahlt, die allerdings auch ein Reinhard Kleist nicht verlustfrei ins unbewegte Bild transportieren kann.


Sicher, er gönnt Cave jede Menge extrem cooler Posen. Aber im Bild eingefroren ist eine Pose immer nur eine Pose. Erst im Video wird die Haltung sofort ersichtlich und nachvollziehbar. Dann erschließt sich auch, was der Comic nicht recht begreiflich machen kann: Warum die zunächst völlig erfolglose Untergrundkapelle plötzlich in Berlin auf beträchtliches Publikumsinteresse stößt.


Mögen Sie Cave?


Caves fertige, wütende, pathetische Stimme ist nicht ganz unwichtig, und auch sie ist etwas, was sich im Bild schlecht ausdrücken lässt. Vielleicht hätte man auf die Musik als tragendes Element verzichten sollen: Der Fan kennt’s eh, und der Nichtfan ist nur mit Text und Bild kaum zu begeistern. Man darf aber davon ausgehen, dass das Projekt für Kleist auch eine Herzenssache war, und in Herzensdingen kann man nun mal schwer diskutieren. Als Orientierungshilfe für den Comic-Käufer bleibt die Frage: Kennen Sie Nick Cave? Mögen Sie ihn?


Reinhard Kleist, Nick Cave, Carlsen, 24,99 Euro


Dieser Text erschien erstmals bei SPIEGEL Online.

Ist Donald Trump mit Satire beizukommen? Zwei Comic-Bände nehmen den Kampf auf - das Resultat ist zwar unterhaltsam, doch leider auch ernüchternd


Illustration: Panini Verlag

Gern wird ja darüber diskutiert, was Satire darf. Wesentlich sinnvoller könnte jedoch die Antwort auf die Frage sein, was Satire überhaupt kann, also: bewirken kann, und ob angesichts dessen die Diskussion über ihre Befugnisse überhaupt den Aufwand wert sind. Zum Beispiel: Trump.


Zwei Beispiele sind jetzt im Comic-Bereich auf dem Markt, beide auf ihre Weise renommiert, sie geben unterschiedliche Antworten, aber richtig Zuversicht können sie alle beide nicht verbreiten, leider.

Das erste Beispiel ist eine schöne Gelegenheit wieder mal bei einem alten Bekannten vorbeizugucken: MAD hat ein Trump-Special herausgegeben, inklusive Minicartoons am Seitenrand, „nur noch“-Preis und Faltblatt ganz hinten. Trump ist eine umfangreiche Aufgabe, und gerade für MAD eine harte Nuss.


MAD-Leser sind keine News-Junkies


MAD hat ein junges Publikum, die Standardzielscheiben sind neben Popstars und Konsumwelt vor allem Eltern und Lehrer, Politiker sind es allenfalls als Eltern-Lehrer-Verlängerung. Helmut Kohl etwa war in diesem Raster der alte Doofe, Strauß der alte Nazi und Schmidt der alte Spießer.


Da liegt denn auch die Haupthürde für MAD: Mehr aus Trump zu machen als 50 Seiten Donald-ist-doof – für Leser, bei denen man ein breites Wissen aus dem US-Politikbetrieb nicht voraussetzen kann. Das gelingt gelegentlich gut, wie auf drei Seiten Bibelzitate vs. Trumpzitate: Da entlarvt ein ziemlich anständiges altes Buch einen abgrundtief unanständigen Menschen. Oder wie Trump sämtliche vier Präsidentenköpfe des Mount Rushmore gegen vier Versionen seinen eigenen austauscht.


Peinlicher Rundumschlag


Meist geht’s allerdings in die Hose: Trump steht zwar als Rüpel da, der jedoch – was besonders kontraproduktiv ist – gerade dadurch Erfolg hat. Besonders ärgerlich: ein deutscher Beitrag, bei dem Medien, Trump, AfD, CSU und SPD letztlich alle gleich unzumutbar wirken. Genau dieser Anstrich der Normalität (und damit seriöser Wählbarkeit) würde Trump, AfD & Co. so passen.


Umgekehrt fehlen viele ergiebige Ansatzpunkte: Die kurzsichtige Gefälligkeitspolitik. Die rüssellangen Krawatten. Die Umweltpolitik, die zu Industrieprodukten führt, die international noch weniger gefragt sind. Die Idee, reaktionäre Trump-Wähler mit freiwerdenden Immigranten-Jobs zu beglücken: als Bulettenbrater (ächz), Erntehelfer (stöhn) und Tellerwäscher (kotz). Chance verpasst, könnte man sagen – wenn sicher wäre, ob es die Chance je gab. Denn das passiert auch den Polit-Profis.


Eine Präsident gewordene Dreckschleuder

Illustration: Garry Trudeau - Splitter Verlag

Der zweite Satire-Band vom Splitter-Verlag, er heißt „Trump!“ Er beinhaltet sämtliche Strips, die der vielfach preisgekrönte Cartoonist Garry Trudeau in seiner Serie „Doonesbury“ über Donald Trump gezeichnet hat. Und das sind bestürzend viele.


„Doonesbury“ erscheint seit 1970 täglich in zahlreichen US-Tageszeitungen, auch in der Washington Post. Vier Panels, als fortlaufende Erzählung, mit einer aberwitzigen Vielzahl unterschiedlicher Charaktere. Das erste Mal taucht Trump im Strip des Pulitzer-Preisträgers 1987 auf. Und tatsächlich ist schon damals der komplette Irrsinn dieser Präsident gewordenen Dreckschleuder vorhanden.


Skandale sind sein Standard


Es beginnt mit Trumps Manie, Reichtum vorzuzeigen, was daran liegt, dass er „gut“ und „teuer“ gleichsetzt. Schon 1988 lässt Trump Wohnungen zwangsräumen, bedient sich schmierigster Charaktere, verachtet Menschen ohne Geld und Macht. Der Band lässt 30 Jahre Trump im Zeitraffer aufblitzen, seine Pleiten, seine vorgebliche Universität, seine schaufensterpuppenartigen Vorzeigefrauen vom Typ „vergoldeter Wasserhahn mit Brüsten“. Wer Doonesbury verfolgt hat, kann von dem Wahlkampfskandal unter vielen („Grab them by the pussy“) nicht überrascht gewesen sein, es ist alles da, wirklich alles.


Trudeau hat sein Bestes getan um Trump als das zu präsentieren, was er ist, inklusive des bizarren Konstrukts, mit dem er vollen Haarwuchs nachzuweisen versucht, weil ihm volles Haar wichtiger ist als die Fähigkeit zu einer Gesundheitsreform. Trudeau hat es versucht, indem er Trump zitierte und dabei wenig bis nicht übertrieb. Trumps winziger Wortschatz, die Wiederholungen von „sehr“, „großartig“, „unglaublich“, man mag es einfach nicht fassen, wie lange ausgerechnet dieser Körperklops und Mentalfladen schon Gegenspieler und ganz normale Menschen diskreditiert, indem er behauptet, sie würden schwitzen, stinken, wären krank oder zu dick.


Die Tweets enthüllen nichts

Illustration: Cross Cult

Geholfen hat es nicht. Cross-Cult wird Ende August sein Glück mit gesammelten Original-Tweets versuchen, tapfer angereichert um Cartoons, aber es gibt einfach nichts zu entdecken. Dieser Mann, der sich bei nüchterner Betrachtung zu nichts weiter eignet als zum Geteert-und-gefedert-werden, ist heute US-Präsident. Und er ist noch nicht mal das Hauptproblem: In den USA (und offenbar auch in Polen, Ungarn oder der Türkei) gibt es inzwischen eine mehrheitsfähige Wählerschaft für rücksichtsloses Gesindel.


Ob Satire dagegen die wirksamste Waffe ist, muss man angesichts der Bestandsaufnahme wohl anzweifeln. In letzter Zeit ertappe ich mich öfter beim Wunsch nach schlichten Signalen, sagen wir: Die Waltons haben Donald Trump zu Gast. Bis es Oma reicht: „Mr. Trump, bitte essen Sie jetzt auf und verlassen Sie unser Haus.“ Wer sich bis dahin über das Ausmaß der Katastrophe informieren möchte: beide Bände zeigen auf ihre Weise ein durchaus zutreffendes Bild davon.



Dieser Text erschien erstmals bei SPIEGEL Online.


Neu übersetzt: Reprodukt legt Robert Crumbs „Fritz the Cat“ wieder auf. Ein Comeback des Katers, der Miezen schon 1965 behandelte wie Donald Trump heute


Illustration: Robert Crumb - Reprodukt

Was für eine willkommene Neuauflage: Reprodukt hat soeben „Fritz The Cat“ neu herausgebracht, vollständiger than ever, und im großformatigen Hardcover. Was eine sehr schöne Erleichterung darstellt: Die meines Wissens letzte, von der FAZ herausgegebene Sammlung deutscher Sprache ist nicht nur längst vergriffen, sondern im Taschenbuchformat erschienen: eine Menge Kleingags sind selbst mit Lesebrille nur noch winziges Gefutzel. Die Frage ist allerdings, ob es sich heute noch lohnt, über 50 Jahre nach der ersten Veröffentlichung. Die Antwort: Mehr denn je. Ende der 60er war Fritz ein Skandal. Heute ist er der Normalfall.


Klarer Blick, schmutzige Fantasie


Fritz The Cat ist das Geschöpf des Comiczeichners Robert Crumb, Jahrgang 1943, ein unscheinbarer Typ mit Brille, einem bestechend klaren Blick und erfrischend schmutzigen Fantasien. Indem er beides gekonnt vermischte, zeichnete sich Crumb seit den 60ern vom Insidertipp zum Weltruhm. Von all seinen Figuren ist dabei „Fritz The Cat“ zweifellos die vermarktbarste (und darum auch 1972 verfilmte) – nicht zuletzt, weil Fritz sich vorrangig auf Sex konzentriert, von Anfang an. Schon in seiner ersten Geschichte, in der er seine Mutter und seine kleine Schwester auf dem Land besucht.


Seinen Job hat er da hingeschmissen, es wird klar, dass er nur heimkommt, weil Mutti ihm gerührt was zu essen macht, kostenlos. Und als er sieht, dass seine Schwester ansehnlich gewachsen ist, wird klar, dass er ihr erst den großen Macker aus der Stadt vorspielen und sie dann vögeln wird. Nichtstun, schmarotzen, ficken – das ist das Prinzip Fritz: Aber diese erste Geschichte ist noch etwas zu bitter, weil die Mutter so nett ist und die eigene kleine Schwester –, also, das ist schon reichlich skrupellos. Richtig explosiv wird die Mischung erst, als Crumb diesen Fritz auf die linksliberale Szene einer fiktiven Großstadt der 60er loslässt.


Sagenhafte Phrasenschleuder


Fritz studiert jetzt, aber tatsächlich interessiert ihn nur, wo man Drogen herbekommt, wer ihm das nächste Bier bezahlt und mit wem er als nächstes poppt. Zu diesem Zweck hat sich die Katze zu einer sensationellen Phrasenschleuder gemausert, die alles von sich gibt, was man sagen muss, um in der Szene Erfolg zu haben: Mal der Revoluzzer, mal der Künstler/Dichter/Schriftsteller, mal der einfühlsame Frauenversteher. Was auch deshalb so lustig ist, weil seine Umgebung dasselbe macht.


Fritz beschwallt Schwallbacken, befaselt Faselfrauen, die ganze Szenerie ist so durchschaubar, dass man sich andauernd fragt, warum sich die Beteiligten nicht alle gegenseitig durchschauen? Schließlich ist Fritz alles andere als einfallsreich: Als einmal vier Miezen nacheinander in seiner Bude auftauchen, erzählt er ihnen ungerührt allen denselben Schmarrn.

Illustration: Robert Crumb - Reprodukt

Man muss jedoch sagen: Fritz ist nicht nur Schmarotzer, er verbindet das Schnorren mit ausufernder Selbstdarstellung. Er will bewundert werden und die geilste Zeit haben. Tatsächlich erinnert Fritz daher auch gelegentlich an niemand geringeren als den frühen Andreas Baader, der die Studentenbewegung als Star-Vehikel kaperte.


Lebensziel: Auto kaufen, Gas geben


In einer Szene etwa entfesselt Fritz aus dem Moment heraus einen Schwarzen-Aufstand, grinsend. Die Schwarzen interessieren ihn keinen Pfifferling, was ihm stattdessen wichtig ist, erzählt er kurz darauf seinem Kumpel: „Ich will endlich wieder leben und lieben, alter Junge. Ich bin grad dabei, mir ein Auto zu besorgen… dann tret ich das Gaspedal voll durch und verschwinde in ’ner Riesenstaubwolke.“


Während Fritz’ Freunde wissen, dass man notfalls eben doch ab und zu lernen oder arbeiten muss, glaubt Fritz hingebungsvoll seinen eigenen Unfug. Er glaubt, dass „Nichtstun“ und „Freiheit“ dasselbe sind. Dass ein Künstler nicht jemand ist, der Kunst fabriziert, sondern jemand, der für einen Künstler gehalten wird. Das Amüsante war damals, zu Fritz' Entstehungszeit, dass der Leser zwar wusste, dass es diese Überschneidungen tatsächlich gibt, aber dass sich ein normaler Mensch ihrer nie so rücksichtslos und dummdreist bedienen würde wie Fritz. Heute ist das anders. Das Fritztum hat sich ausgebreitet.


Das Fritztum hat sich ausgebreitet


Tatsächlich ist der Alltag längst voll mit solchen Hülsen-Früchtchen. Youtube beheimatet zu Dutzenden und Hunderten Blogger, die zu den Nachrichten aus Zeitungen und Fernsehen ihren Senf geben und sich deshalb für Journalisten halten – und für Journalisten gehalten werden. Wir haben Castingprodukte, die sich für Musiker halten – und als solche gelten. Online-Stars, die ihr Leben längst zur Dauerwerbesendung umgestaltet haben – und Hunderttausende Zuschauer, die glauben wollen, sie bekämen dort Tipps von Freunden.


Und man kann darüber streiten, was für die jeweilige Umgebung gefährlicher ist: Fritz, der seine Uni-Notizen verbrennt und dabei das komplette Mietshaus abfackelt, oder seine real existierenden Epigonen, die in einer Flut der Selbstdarstellungen den Schwachsinn so gründlich normalisieren, bis so etwas wie Donald Trump Präsident werden kann.


Die Pose ist alles, der Inhalt ist nichts. Heute, nach über 50 Jahren, hat „Fritz the Cat“, das Original, tatsächlich eher entspannende Wirkung: Hier ist wenigstens nach dem Sex kurz Ruhe.


Robert Crumb, Fritz the Cat, Reprodukt, 29 Euro


Dieser Text erschien zuerst bei SPIEGEL Online.

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