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Comicverfuehrer

Ein neuer Trend revolutioniert die Haustiercomics: Der Star ist die Mieze und für die Menschen bleiben da nur noch die Nebenrollen

Illustration: Gin Shirakawa - Egmont Manga

Niedliche-Katzen-Alarm! Mein Ding ist es nicht – aber es geht ja nicht immer um mich. Es geht um eine neue Sorte Comic, die ich bislang so noch nicht gesehen habe. Katzen, oder wie der Fachmann sagt: Samtpfoten. Neugierig? Mit Recht!


200 Milliarden Dollar für die Katz


Haustiere sind ein Wachstumsmarkt. Es gibt Katzenmilch, die direkt vor der Tagesschau beworben wird, beste Sendezeit, zur fürsorglichen Frage „Trinkt Ihre Katze genug?“ 200 Milliarden Dollar weltweit sind hier nachlesbar zu verteilen, Tendenz steigend. Da war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis der weltweit professionellste Comic-Markt sich des Themas annimmt: das Manga-Business.


Illustration: Gin Shirakawa - Egmont Manga

Katzen im Comic sind natürlich nicht neu, aber so weit wie die dreiteilige Serie „Eine Geschichte von sieben Leben“ von Gin Shirakawa habe ich noch keinen Comic gehen sehen. Die ganze Story bleibt so weit wie möglich in der Katzenperspektive. Die sich ziemlich wenig um Menschen kümmert (und überraschenderweise noch weniger um Mäuse). Trotzdem konnte ich das Resultat nicht so schlimm finden wie zunächst befürchtet.


Prädikat: streichelbar


Das liegt zunächst mal daran, dass wir hier nicht diese superniedlichen Mangakatzen haben, sondern sehr naturalistische Katzenzeichnungen mit einem sehr zurückhaltend vermenschlichten Mienenspiel. Die Katzen werden auch nicht zwanghaft als Leserzucker reingestopft wie andernorts Robbenbabys: Die Katzen sind tatsächlich die Hauptdarsteller, die Menschen haben nur die ergänzenden Nebenrollen. Und es sind nicht irgendwelche Katzen, die zuhause herumhocken, sondern geschickterweise zwei Straßenkatzen, die ums Überleben kämpfen – dabei aber selbstverständlich nicht komplett verranzt aussehen. Sondern ausgesprochen akzeptabel, Prädikat „streichelbar“.


Ich muss zugeben: Band eins ließ sich erstaunlich schmerzfrei durchlesen. Okay, gegen Ende des Bands wurde die Handlung (Suche nach Schlafplatz, wachsende Freundschaft zur hübschen Badehausbesitzerin) dann allmählich dünn – aber es gibt jede Menge hervorragend gezeichneter Katzen in allen Lagen, und das Ergebnis ist sehr gute Profi-Arbeit, dochdoch.


Miezen in der falschen Schublade


Fun-Fact: Das Genre scheint tatsächlich so neu zu sein, dass es dafür (auf dem deutschen Markt wenigstens) noch keine eigene Schublade gibt. Mangas werden ja gern etikettiert: „Boys Love“ oder „Mystery“ beispielsweise, aber Shirakawas Katzen musste der Verlag einstweilen noch in „Slice of Life“ parken, was in etwa „Episode aus dem Alltag“ bedeutet, aber natürlich nicht den Alltag von Katzen meint. Den Erfolg scheint es nicht zu bremsen. Und wie man hört, hat die Konkurrenz bereits Hunde in Vorbereitung.


Gin Shirakawa, Christine Steinle (Üs.), Eine Geschichte von sieben Leben, Egmont Manga, Band 1-3 je 7,50 Euro



 


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„Hugo & Hassan“ revisited: Als Julia das Duo erstmals traf, war sie neun wächst man in zwei Jahren aus dem Alter für Bubenstreiche?

Illustration: Kim Fupz Aakeson/Rasmus Bregnhoi - Klett Kinderbuch

Also: Es gibt keine Tiere bei „Hugo & Hassan“. Aber das muss ja inzwischen kein Hindernis mehr sein, obwohl Tiere eigentlich gerade DAS Ding bei Julia sind. Denn die „Hundebande in Paris“, die vor zwei Jahren abgeräumt haben, findet Julia inzwischen „ehrlich gesagt ein bisschen langweilig“. Andererseits landeten „Hugo & Hassan“ damals irgendwo im Mittelfeld.


Faul, vorlaut – und sehr normal


Ich hingegen finde die beiden ziemlich gut. Auch, weil Autor Kim Fupz Aakeson ganz schön rücksichtslos vorgeht: Die beiden Jungs sind vorlaut, extrem bequem, spielen vor allem Videospiele und sind von ihren Eltern genervt, mit einem Wort: sie sind normal. Und dabei werden eine ganze Menge aktueller Themen gestreift. Flüchtlinge, beispielsweise. Oder dass Hassan aus einer Moslem-Familie kommt. Und Julia?


Julia gefällt sofort ziemlich viel. Erstens: Episoden, wieder mal. Lustige Episoden vor allem. Dass im ganzen Comic so gut wie keine Mädchen vorkommen? Egal. Möglicherweise, weil die beiden Jungs (die im Alter Julias Bruder gar nicht mal so unähnlich sind) auch viel einstecken müssen. Sie beschließen zu kochen – und verwüsten die Küche. Sie gründen eine Band – und merken dann, dass sie kein Instrument spielen können. Sie finden einen Weg, sich um den Sportunterricht zu drücken. Aber bei allem Blödsinn merkt man auch: Unter der supercoolen Schale sind sie oft auch erstaunlich unsicher.


Zwischen Fischen und Flüchtlingen


In Julias Lieblingsgeschichte ruft Hugo Hassan nachts an, weil er nicht schlafen kann: Er sorgt sich um die Zukunft. Dass sie in einer überfluteten Welt nur noch Fisch essen können. Oder dass sie als Flüchtlinge in einem Lager leben müssen. Oder, positiv gesehen: Supervideospiele bekommen und mit E-Autos fliegen können. Könnte verstörend wirken, denke ich mir, aber: Julia macht das keine Angst. Es ist eher interessant und vor allem komisch.


Die beste (weil lustigste) Stelle: Wie Hassan nach Hugos Anruf wachliegt, während Hugo einfach einpennt.

Die niedlichste Stelle: Entfällt, weil ohne Tier!


Kim Fupz Aakeson (Text), Rasmus Bregnhoi (Zeichnungen), Franziska Gehm (Üs.), Hugo & Hassan forever, Klett Kinderbuch, 15 Euro

Julias Entscheidung


Selbstporträt: Julia

Das Comeback des Duos gerät unerwartet spannend, weil ich zunächst den Band ein bisschen als Außenseiter gesehen habe. Aber dann mogeln sich „Hugo & Hassan“ erstaunlich stur nach oben. Erneut wird „Boris und Babette“ zum Knackpunkt, und dann...



  • 1. Alldine & die Weltraumpiraten

  • 2. Zack!

  • 3. Hugo & Hassan forever

  • 4. Boris, Babette und lauter Skelette

  • 5. Trip mit Tropf

  • 6. Willkommen in Oddleigh

  • 7. Karl der Kleine: Printenherz

  • 8. Superglitzer




... wird natürlich fortgesetzt



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Ein verzaubertes Kleinod von Lewis Trondheim: „Ich bleibe“ erzählt von einem bitter-skurrilen Sommerurlaub rätselhaft und mit melancholischer Magie

Illustration: Hubert Chevillard/Lewis Trondheim - avant-verlag

Ein Paar, Mitte dreißig, erreicht im Sommer einen französischen Küstenort. Es ist noch zu früh, um die für eine Woche gebuchte Unterkunft zu beziehen, also spazieren sie etwas herum. Hand in Hand. Es ist windig, so windig, dass die metallenen Zeitungsständer weggeweht werden. Die Frau muss lachen: einer davon fliegt sogar so knapp über sie hinweg, dass sie staunend zu ihrem Mann schaut. Sie sieht: Ihm fehlt jetzt der Kopf.

Guter Anfang, oder?


Erst Knalleffekt, dann sanfte Stille


Der Anfang stammt aus „Ich bleibe“, einem eigenwilligen, wundervollen Comic-Band, der sich, ganz nebenbei, auch ideal für Comic-Seiteneinsteiger eignet: Denn trotz des beeindruckenden Starts erzählt er ruhig, still, sanft, fast konventionell eine Geschichte, die zugleich gewöhnlich und ungewöhnlich ist. Weil die Frau namens Fabienne unerwartet reagiert: Sie bricht den Urlaub nicht ab, sondern sie bleibt.


Bild: H.Chevillard/L.Trondheim - avant-verlag

Fabiennes Reaktion verleiht der Geschichte ein Rätsel, aber auch einen wunderlichen Zauber. Denn in den folgenden Tagen arbeitet sie gewissenhaft das Programm ab, das ihr Freund ihr in seinem Tagebuch hinterlassen hat. Die Stierkampfarena, die Flugshow der Luftwaffe, der Handwerksmarkt, es sind Orte voller ausgelassener Urlaubsfreude, Zeichner Hubert Chevillard erweckt sie geschickt zum Leben, mit kleinen und kleinsten sommerprallen Szenen, die praktisch jeder aus eigenen Ferien kennt. Und die alle eine besondere Note gewinnen, im Kontrast mit dieser stillen Frau, die irgendwo zwischen betäubt und emotionslos im Zentrum des ganzen Trubels sitzt und nicht recht weiß, wie ihr geschieht.


Nervtötender Köter


Verantwortlich für diese simple, aber wirkungsvolle Kombination ist Lewis Trondheim, der das Szenario geliefert hat. Fabienne ist einer seiner introvertierten, leicht verträumten Charaktere, der er den extrovertierten Paco an die Seite gibt, einen Händler für indischen Ethno-Kram, sowie einen nervtötend kläffenden Köter. Und so folgt man verwundert der erschreckend stillen, manchmal überraschend ruppigen jungen Frau durch ihre bitter-skurrile Urlaubswoche. Man würde Fabienne – wie Paco – gerne verstehen, aber durchschaut sie nie ganz.


Was den cleveren Effekt hat, dass Trondheim und Chevillard durch diese ständige Irritation ihr Publikum ganz nahe an die Ausnahmesituation der Trauer und des Todes bugsieren.


Lewis Trondheim (Text), Hubert Chevillard (Zeichnungen), Lilian Pithan (Üs.), Ich bleibe, avant-verlag, 24 Euro



 


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