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Comicverfuehrer

Beispielhaft gesehen: Cartoonist Luz illustriert Raubkunst aus der Perspektive eines Gemäldes – und wir sind immer im Bild

Illustration: Luz - Reprodukt
Illustration: Luz - Reprodukt

So kann man’s natürlich auch machen! Der französische Karikaturist Luz (der hier Humor und Trauer sensationell kombinierte), hat für seinen Sachcomic „Zwei weibliche Halbakte“ ein Problem gewitzt gelöst, das vielen Sachcomics in die Quere kommt. Denn so wichtig das Thema ist – vom Start weg ist es oft recht unsexy. Luz‘ Thema heißt: „Restitution“ bzw. „NS-Raubkunst“. In München haben beispielsweise die staatlichen Museen damit gerade richtig Ärger. Und Luz wird zeigen: Den Ärger haben sie zu Recht.

 

Wir sehen, was das Bild sähe

 

Der Titel des Comics stammt von einem Bild, das es wirklich gibt: Otto Mueller hat es 1919 gemalt, heute hängt es in Köln – und Luz beschreibt genau diesen Weg. Von einem Wald nahe bei Berlin bis Köln. Aber Luz zeigt ihn durch die nicht vorhandenen Augen des Bildes. Was ihm einen wunderbaren, sogar preisgekrönten Einstiegstrick ermöglicht

Illustration: Luz - Reprodukt
Illustration: Luz - Reprodukt

Denn, klar, die Leinwand sieht anfangs noch nichts, die ist ja noch kein Bild. Aber die ersten Farbstriche zeigen schon etwas Wald, etwas Mueller, und so, wie er malt, füllen sich langsam die ersten Panels, bis das Rechteck voll ist. Wir sehen Mueller, wie er pinselt und mit seinem Modell Maschka plaudert, abschließend guckt Maschka ins Bild, weil sie wissen will, wie sie geworden ist – schlanker als in echt. Muntere Idee. Und die Leser sind im Bild.


In Littmanns Arbeitszimmer


Von da geht’s ins Atelier, wo wir als Bild an der Wand hängen. Wir ziehen mit nach Breslau, weil dort der Kunstmarkt besser ist und Mueller eine Professur kriegt. Wir werden von Kunstsammlern begutachtet, wir werden gerahmt, entdeckt, und in den 20er Jahren kauft uns ein reicher Herr Littmann. Wir werden verpackt, heimgetragen, bei Littmann an die Wand gehängt. Und von da sehen wir durchs Fenster nach draußen.

 

Illustration: Luz - Reprodukt
Illustration: Luz - Reprodukt

Da passieren üble Dinge, orthodoxe Juden werden geschlagen, die Mauer mit Parolen und Hakenkreuzen beschmiert, und Littmann, selbst Jude, verliert wichtige Kunden. Die Situation wird aussichtslos, und Littmann nimmt Gift. Die Familie muss die Bilder verkaufen, aber sie werden noch im Auktionshaus beschlagnahmt – und landen in der Ausstellung „Entartete Kunst“, und mehr sag‘ ich jetzt nicht, weil die Irrfahrt des Gemäldes natürlich zum Reiz gehört.

 

Geschick gewählt, wütend gezeichnet


Vieles von diesem Reiz liegt natürlich an der Auswahl der Szenen, die sich Luz für seine kräftigen, wütenden Zeichnungen herauspickt. Der Gegensatz von Wertschätzung und Verachtung desselben Bildes beispielsweise. Oder die Tatsache, dass die Nazis die von ihnen gehassten Bilder in ihrer Schmähausstellung auch noch explizit unansehnlich zusammengepferchten, aus (berechtigter?) Angst, ihre Kundschaft wäre zu blöd um ohne Holzhammerhinweise zu merken, dass die „blöde“ Kunst blöd sei.  

Illustration: Luz - Reprodukt
Illustration: Luz - Reprodukt

Und danach? Hat das Museum Ludwig alles richtig gemacht? Ohne Fachmann zu sein: Sie machten auf jeden Fall weniger Theater. 1999, heißt es, bekam man erstmals mit, dass das Bild vor der Beschlagnahmung wem gehört hatte. Da kann man jetzt vielleicht nörgeln, aber in jedem Fall gab’s einen handfesten Namen mit einem Rechtsanspruch. Und die Kölner zierten sich nicht, gaben das Bild zurück – und kauften es anschließend nochmal rechtmäßig ein.

Da kann man dann, wie im Münchner Fall, natürlich insgeheim murmeln: „Das kann aber teuer werden.“ Aber so ist das eben mit Faschismus und seinen Folgen: Schnäppchen macht man da nur, solange man Raub für ein erlaubtes Geschäft hält.






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Am Samstag sind Comics zu verschenken: Zehn Verlage verteilen 22 Titel – der geheimnisvollste von allen ist auch dabei

Illustration: Luke Pearson - Reprodukt
Illustration: Luke Pearson - Reprodukt

Kleine Erinnerung: am Samstag (10. Mai) ist Gratis-Comic-Tag. Richtig gelesen: Comics für geschenkt. 22 verschiedene Titel von zehn Verlagen, mal auf dünnerem Papier oder im Kleinformat, aber stets mit vollwertigem Inhalt. Mit dabei: Titel wie Luke Pearsons empfehlenswerte „Hilda“ (siehe Bild). Oder Teil 1 der Manga-Serie „Atelier of Witch Hat“, bei der die Fans jüngst in Leipzig trotz Fotoverbot schon glücksquiekten, sobald Zeichnerin Kamome Shirahama einen Stift nur anschaute. Vermutlich, weil: dank eines imkerartigen Maskenhuts war weder klar, wer da zeichnet noch wohin er/sie schaut – zweifellos also irrsinnig gut.

Was Sie nun tun müssen? Nix, außer am Samstag den nächsten teilnehmenden Comic-Shop anzusteuern (finden Sie hier). Ob immer und überall jeder Titel vorliegt, kann ich nicht garantieren, was anderes dafür auf jeden Fall: Sie zahlen nicht drauf!

Also: Ausprobieren, durchprobieren!






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Gut kopiert statt schlecht erfunden: Dieses Krimi-Duo klaut bei Klassikern - und macht dabei den Originalen alle Ehre

Illustration: Kieran/Doug Headline/Richard Stark - Schreiber & Leser
Illustration: Kieran/Doug Headline/Richard Stark - Schreiber & Leser

Das passiert auch nicht so oft: Guter Krimistoff, teils sogar sehr gut – und das gleich im Doppelpack. Beide Comics bauen übrigens auf bewährten Vorbildern auf, was sie zwar ein bisschen weniger originell macht, aber dafür zugänglicher. Heißt: Sie brauchen praktisch keinerlei Eingewöhnungszeit, das rutscht ins Blut wie Traubenzucker.


Grundlos gute Krokodile

Illustration: Bastien Vivès - Schreiber & Leser
Illustration: Bastien Vivès - Schreiber & Leser

Band 1 stammt vom großen Bastien Vivès, der hier wieder einmal sehr kunstbefreit einfach losspielt. Diesmal ist es eine Abenteuergeschichte, die sich – wenn nicht alles täuscht – ungehemmt an den Tauchklassiker „Die Tiefe“ anlehnt. In „Honeymoon“ macht ein gut aussehendes Paar ohne Kinder (bei Oma!) Urlaub am Mittelmeer, wird von einem Bekannten zu einer Party eingeladen, die auf einer Luxusyacht stattfindet. Doch dort sind die Gäste samt und sonders Gangster, Waffenschieber, üble Gestalten, die Party wird rasch unangenehm und kurz nachdem das Paar es knapp vom Schiff geschafft hat, fliegt es in die Luft und sinkt.

Illustration: Bastien Vivès - Schreiber & Leser
Illustration: Bastien Vivès - Schreiber & Leser

Im Schiffsrumpf eingeschlossen ist ein Escortgirl, weshalb unser Paar beschließt, sie zu retten. Vivès macht sich all das bewundernswert leicht: Hier sollen Sommer und Sonne und Meer zusammenkommen, es soll Action rein, deswegen müssen im Mittelmeer gigantische Haie herumpaddeln, es kommt noch ein mysteriöser antiker Giftfalter dazu und überhaupt greift er komplett spielfreudig zu jeder Menge Klischees. Aber all das kann man ihm recht leicht verzeihen, weil’s a) schön aussieht, b) Vivès jedesmal, wenn man sich „Hä?“ denkt, einfach mit Action und Gewalt drüberbügelt.

Illustration: Bastien Vivès - Schreiber & Leser
Illustration: Bastien Vivès - Schreiber & Leser

Dialoge gibt’s nur sparsam. Das ist so rücksichtslos durchgezogen, dass sich im Vorsatzpapier sicherheitshalber auch noch Krokodile einfinden, die im Comic gar nicht vorkommen – ein Prinzip, das Vivès schon bei der (gleichermaßen empfehlenswerten) „Olympia“ nutzte. Aber wer oberlehrern will: ein titelgebender „Honeymoon“ ist ja genauso wenig zu erkennen: Prädikat „Wenn schon, denn schon!“

 


Wortkarg, pragmatisch und supercool

Illu: Kieran/D. Headline/R. Stark - Schreiber & Leser
Illu: Kieran/D. Headline/R. Stark - Schreiber & Leser

Noch deutlicher am Vorbild klebt Band 2: „Eine Falle für Parker“ bezieht sich direkt auf Darwyn Cookes kongeniale Umsetzungen der „Parker“-Romane von Richard Stark („Payback“ ist der bekannteste, meistverfilmte). Die Romane spielen im US-Gangstermilieu der 60er/70er Jahre, zeigen einen eigenen, harten und wortkargen Kodex, ungeschönte Brutalität und pragmatischen Geschäftssinn. Der früh verstorbene Cooke setzte das in eine sparsame-coole Schwarz-weiß-Optik samt einer Schmuckfarbe vorbildlich um, Zeichner Kieran und Szenarist Doug Headline (eigentlich Tristan Jean Manchette) machen genau hier weiter, die Vorlage stammt von Stark (eigentlich Donald E. Westlake), denn es sind noch reichlich Parker-Romane nicht umgesetzt.


Suchen ohne Google


Diese Parkerwelt hat ihre eigene Faszination: Diesmal wird der Titelheld nach einem Bankraub um die Beute betrogen, der Betrüger setzt sich ab und Parker muss ihn mühsam in den Prä-Internet-USA suchen. Headline lässt dabei wie Cooke seinen Parker wenig sagen und viel Härte zeigen.

Illustration: Kieran/Doug Headline/Richard Stark - Schreiber & Leser
Illustration: Kieran/Doug Headline/Richard Stark - Schreiber & Leser

Wie Cooke nutzt auch Kieran (eigentlich Sebastien Kieran) das Szenario zum Schwelgen in diesem kalt-eleganten 60er/70er-Design, in dem man dauernd erwartet, dass Steve McQueen oder Alain Delon um die Ecke kommen. In dem Häuser schräg verwinkelt sind und große Glasflächen haben, in Wohnungen überall Whisky herumsteht und Autos so schwarz und kantig daherbrummen wie gigantische, schwebende Dominosteine. Kieran bleibt beim bewährten Schwarz-weiß-blaugrau, seine auffälligste Zutat sind eigenwillige Schattierungen mittels unterschiedlich groß aufgeblasener Fingerabdrücke, wie man sie von Michael Mathias Prechtl kennt. Zugegeben: Nichts davon ist neu ausgedacht, aber Cooke hätte angesichts der Werk- und Vorbildtreue sicher keine Einwände. Außer, dass er's lieber selbst gemacht hätte.






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