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Werner ist jetzt Wutbürger

Comeback nach 14 Jahren: Rötger Feldmann lässt seinen Helden wieder antreten. Neuerdings auch für Umweltschutz. Ouhauerha, wer soll das glauben?



Illustration: Brösel/Rötger Feldmann

Werner nu wieder: 14 Jahre ist es her, dass Rötger Feldmann alias Brösel seinen Comic-Helden zuletzt besucht hat, jetzt ist der 13. Band erschienen, "Werner - Wat nu?" Natürlich passend zum nächsten Motorradrennen gegen Holgis Porsche Ende August. Im Prinzip könnte alles wieder so sein wie 1988, man sollte zappeln vor lauter Vorfreude, aber irgendwie kribbelt's nicht. Im Gegenteil, man hat sogar ein richtig ungutes Gefühl. Und das liegt nicht nur daran, dass ein vergleichbarer Doppelaufguss von Comic und Rennen schon mal 2004 stattfand, sondern vor allem daran, dass die Zeit nicht stillsteht.


Ich hab Werner in den Achtzigerjahren entdeckt, nach dem dritten oder vierten Band. Er war mir ein bisschen zu prollig, aber er hatte eine einzigartige Mischung aus Nonsens, kalauernder Schlagfertigkeit, Genussfreude (Motorrad! Bier!) und einer irrsinnigen Schlagzahl. Noch immer sensationell: Werner im Krankenhaus, genervt von den Putzfrauen, die frühmorgens nach dem "BOUNÄÄWAX" schreien. Aber Werner hat sich leider nie weiterentwickelt.


Kalauer unter Erfolgsdruck


Feldmann machte immer mühsamer aus Kalauern Cartoons, man spürte den Druck der Millionenauflagen, der Erscheinungstermine und wie die Marke "Werner" ihren Schöpfer Feldmann unter sich erdrückte. Und heute? Heute bin ich 51, und Feldmann ist 68. Wir mögen beide Bier, sicher, aber mal ehrlich: Wer in dem Alter stattdessen immer noch Bölkstoff braucht, ist meist leberkrank.


Mit Motorrädern ist es ähnlich: Wer mit 20 an einer alten Horex herumschraubt, ist ein liebenswerter Spinner. Wer dasselbe mit 60 macht, muss damit rechnen, dass man ihn in einer Liga einsortiert mit Horst Seehofer und seiner Modellbahn.

Werners Altersverweigerung


Feldmann versucht das Problem zu lösen, indem er Werner wenig bis gar nicht altern lässt. Werner bleibt irgendwo zwischen 20 und Mitte 30. Das klappt bei Donald Duck hervorragend, aber da sind die Leser auch zuverlässig zwischen neun und 13. Und außerdem verändert sich auch Donalds Welt nicht, die von Werner aber schon, was dazu führt, dass die Werner-Welt an allen Ecken und Enden aus den Fugen gerät.

Werner erzählt seinen Neffen Geschichten vom Seifenkistenfahren, rutscht danach auf Skateboard aus und liefert die erwartbare Slapstickparade, bei der er dann irgendwann was schreit? Genau: "Hilfäää, Maaami!" Das ist Füllerqualität. Ganze 50 der 128 Seiten werden der mühsamen Begründung gewidmet, warum Werner und Holgi nochmal im Herbst zum Rennen antreten müssen. Noch am ehesten pointentauglich ist Werners Albtraum vom Verlust eines Haares, das ihm zwei Sanis mit Zwei-Komponenten-Kleber wieder anheften. Naja.


Gewalt als neue Lösung


Aber richtig fürchterlich wird es, wenn Werner politisch wird. Werner stellt fest, dass seine Brauerei wegen Frackings dicht macht. Daraufhin schraddelt er ins Bergamt, verprügelt den zuständigen Beamten und wirft ihn in einen Brunnen. Damit macht Feldmann aus dem gewitzten Werner, der einst der Polizei blöd kam oder ihr davonfuhr, einen stinknormalen Wutbürger.

Einen doppelmoralischen Wutbürger obendrein, denn seit über zehn Jahren zeichnet der aufrechte Frackinggegner Feldmann die Werbefiguren für den Tankstellenkonzern "Jet". Ein bisschen umweltfreundlicher sei sein Held geworden, lobt Feldmann seinen Helden auch beim Erlanger Comic-Salon, nur um sich wenig später auf das Rennen gegen Holgi zu freuen, da wolle man eine Party feiern, und zwar "mit richtig viel Benzin" - "Ouhouerha", möchte man da schreien.


Brösel kann's noch - aber selten

Manchmal zündet der alte Feldmann immer noch, oft dann, wenn er dafür am wenigsten Aufwand betreibt. Eine Doppelseite illustriert die deutsche Idylle Gorleben, ein gutes Dutzend blitzschneller Gags, ohne mahnenden Zeigefinger, strikt auf Pointe gearbeitet. Und bezeichnenderweise ist der beste Gag des ganzen Bandes derjenige, der auf einer Doppelseite die Moderne aufgreift: Links ist der Originalgag von 1982, wo Werner einem Renter auf der Parkbank erklärt, er ginge nach Washington, "Ronald eins auffe Fresse haun". Rechts die identische Version von 2018, aber diesmal ist das "R" ein "D". Für 128 recht notdürftig und mit erstaunlich vielen Fotos gefüllten Seiten ist das allerdings nicht wirklich viel. Alte Bände vorkramen, neues Bier holen, fümp. Besser is das.



Dieser Text erschien erstmals auf SPIEGEL Online.




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