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Mopsreiche Odyssee

Die Outtakes (25): Mit einem platten Verkäufer, Jugendsünden eines Bestseller-Autors und verdrucksten Freizügigkeiten

Illustration: Luz/Virginie Despentes - Reprosukt
Illustration: Luz/Virginie Despentes - Reprosukt

Purzelnde Bandnamen


Au, au, das ist gar nichts für mich – obwohl es gut aussieht. Cartoonist Luz, dem man den exzellent berührenden Band „Wir waren Charlie“ verdankt, hat sich in einer 700-seitigen Mammutaufgabe des Bestsellers „Vernon Subutex“ von Virginie Despentes angenommen. Luz zeichnet dabei so lebendig wie vergeblich gegen die Belanglosigkeit des Stoffs an: Ein verarmter ehemaliger Plattenverkäufer lebt vor sich hin. Dabei erinnert er sich an Leute, die er mal kannte, die halt auch leb(t)en. Er macht sich keine großen Sorgen, weil er immer irgendwie unterkommt – und daher mach ich mir auch keine Sorgen um ihn. Manchmal kommen Frauen, manchmal nicht, es ist letztlich alles irgendwie egal. Musik-Reminiszenzen sollen das Ganze bei Kindern der 70er/80er (wie mich) genießbarer machen, und ich würde mich über die auch sehr über sowas freuen, aber dann purzeln einfach nur Bandnamen durch die Gegend. Die Musik dahinter ist erkennbar scheißegal und nur als Deko dienlich (wie sich die Autorin gern im „Motörhead“-Shirt ablichten lässt). Hab ich was übersehen? Ist das womöglich eine satirische Abbildung der allgemeinen Oberflächlichkeit? Pardon, aber: Genauso-Machen ist noch nicht Satire.

 


Gebeichtete Geheimnisse

Wenn Zerocalcare (bürgerlich: Michele Rech) einen neuen Band veröffentlicht, dann sieht es in italienischen Buchhandlungen so aus wie auf dem Foto links: Stapel- bzw. Palettenpräsentation am besten Platz, und die Vorgängerbände besetzen praktisch alle übrigen Regale in

Sichtweite. Nicht zu unrecht: der superlinke Comic-Reporter aus dem hauptstadtnahen Rebibbia hat eine eigene Beobachtungsweise, übertreibt unterhaltsam und verwurstet praktisch alle Nerd-Phänomene der 80er, einem Kosmos, in dem ich mich auch selbst heimisch fühle. Mit „Die Krake im Nacken“ wird nun erstmals nicht der aktuellste Zero veröffentlicht, sondern ein autobiographischer Band aus der umfassenden Backlist. Das Thema ist: „Was ich mal als Kind gemacht habe und was nie, niemals rauskommen darf“. Im vorliegenden Fall: Zerocalcare hat mal eine Mitschülerin verpetzt. Und obwohl das gewohnt süffig plaudernd aufbereitet ist, packt es mich diesmal weniger – vorwiegend, weil der Nutzwert geringer ist. Seine Reisen ins syrische Kurdistan sind (gerade jetzt!) extrem informativ und ein guter Einstieg ins Thema. Persönliche Schuldgefühle haben wir hingegen doch alle, oder? Und als Ratgeber ist Zerocalcare gar nicht mal so gut. Trotzdem kann man seinem aufgekratzten Stil fan-artig verfallen, und wenn das so ist, macht man auch bei diesem Band nichts falsch.

 


Ungut gealtert

Illustration: Georges Pichard/Jacques Lob - avant-verlag
Illustration: Georges Pichard/Jacques Lob - avant-verlag

Erotische Comics der 60er und 70er altern oft gar nicht mal so gut. „Odysseus“ von Georges Pichard etwa. Mit Autor Jacques Lob hangelt sich Pichard ziemlich nah an Homers Originalhandlung entlang, versieht die Götter mit Raumschiffen und Robotern und ließ sonst eine Menge durchblicken, vorzugsweise Brüste und Nippel. Doch was damals progressiv wirkte, ist in der Porntube-Gegenwart banal. Entsprechend entblößt steht denn auch die Handlung da: Der Odysseus ist brav runtererzählt, mehr mops- als bildungshalber, naja. Erotik-Legende Pichard ergeht es damit nicht anders als Richard Corben, Guido Crepax, Paolo Eleuteri Serpieri, bei denen gerade das vermeintlich Anspruchsvolle von einst sie heute seltsam verdruckst und verklemmt wirken lässt. Womöglich altert deshalb auch gerade der komplett kaputt-hemmungslose Robert Crumb deshalb so viel besser. Nostalgiker werden in diesem hübsch aufgemachten Band allerdings tadellos bedient.

 





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