- 23. Juni 2024
Faszinierende Vergangenheit unterschiedlich gut verarbeitet: „Das Unglück am Djatlow-Pass“ vs. „Columbusstraße“

Geschichte hat einen Nachteil: Sie ist lange her. Weshalb der Blick in die Vergangenheit häufig unscharf wird. Zwei Beispiele zeigen jetzt, wie man damit umgehen könnte bzw. sollte – und wie eher nicht. Was auch deshalb spannend ist, weil ausgerechnet das Gegenbeispiel derzeit landauf, landab gefeiert wird.
Flucht aus dem Zelt bei Eiseskälte
Beispiel Nummer eins ist „Das Unglück am Djatlow-Pass. Die Story dahinter ist nicht total neu, aber längst keine olle Kamelle: 1959 geht eine neunköpfige russische Wandergruppe verloren. Als man ihre Leichen entdeckt, nehmen die Rätsel kein Ende. Die Gruppe ist zerstreut, manche Teilnehmer sind erfroren, manche tödlich verletzt, manche verstrahlt, extrem zersetzt. Manche nur teilweise bekleidet, was bei den Temperaturen genauso irrsinnig ist wie überhaupt der Gedanke, das schützende Zelt zu verlassen. Gruselgut, oder?

Autor Cédric Mayen hört von der Story, stellt fest, dass es dazu noch keinen Comic gibt, kaum Filme und nur ein unbekannteres Computerspiel. Also schreibt er ein Skript, ohne das Rad dabei neu zu erfinden. Als Rahmenhandlung begleiten wir den (real existierenden) Milizionär Lew Iwanow bei den Ermittlungen und entdecken die mysteriösen, X-Files-würdigen Indizien. Und dazwischen begleiten wir in Rückblenden die Gruppe beim tagelangen Marsch durch Schnee, Wind und Eis.
Der dünne Boden der Tatsachen
Deren (erkennbar fiktive) Dialoge sind zwar manchmal etwas platt, aber denkbar. Zudem ist Mayen klug genug, die Gruppe immer dann zu verlassen, wenn der Boden der Tatsachen zu dünn wird. Wie er aber trotzdem einige Schockmomente unterbringt, ohne zu schummeln – das ist handwerklich sehr geschickt gemacht.

Das Skript lässt Mayen vom Zeichner Alejandro González umsetzen. Konventionell, routiniert, aber eben auch eingängig. Die Einstellungen sind abwechslungsreich, konservativ, sagen wir: so zaghaft innovativ wie ein ARD-„Tatort“. Es gibt eine Sowjetunion in Graubrauntönen, schön frostige Rückblenden in weißer Wildnis, die Wandergruppe macht etwas viele launige Scherzchen – aber wer weiß, kann schon sein. Und so entfaltet sich die bizarre Tragödie, während González und Mayen viel richtig machen, indem sie einfach wenig falsch machen.
Noch mehr Extras zum Weitergrübeln
Mayen ist selbstverständlich auch so geschickt, ein Dossier anzuhängen, mit den gängigsten Theorien, den seriöseren und weniger seriösen. Das Einzige, was man sich noch wünschen könnte, wäre eine exaktere Karte mit den Fundorten, aber es gibt dafür jede Menge Hinweise auf einschlägige, gut sortierte Seiten im Netz.
Beklemmend braver Bedeutungshuber

Genau falsch rum macht es im Gegenzug leider Tobi Dahmen, der mit seinem Mammutwerk „Columbusstraße“ derzeit gefeiert wird. Es ist laut SWR „eindrucksvoll“, „akribisch recherchiert“ (WDR), und auch Andreas Platthaus, der schon einige Comics gelesen hat, erblasst vor dem „beklemmend revolutionären“ Werk, das er spürbar gern mit dem „Max-und-Moritz-Preis“ belohnt gesehen hätte. Und bei der Tagesspiegel-Quartalsliste kriegen sie sich überhaupt nicht mehr ein. Aber je genauer man hinsieht, desto mehr staunt man über diese Begeisterung.
Von Ängsten gebeutelt
Denn den Kritikern zufolge liefert Dahmen das ganz große Ding: Die Geschichte der Deutschen im Krieg, geschildert anhand seiner Familie. Die sich dazu tatsächlich anbietet: Dahmens Opa war großbürgerlicher Anwalt im Dritten Reich, Papa musste durch die NS-Erziehung, zwei Onkel waren im Krieg dabei, alle schrieben tüchtig Briefe, dazu spielt die Story in Düsseldorf, einer der meistbombardierten Städte Deutschlands. Heimat-, Ost- und Westfront, politischer Alltag, Kinderlandverschickung, soviel Material, da kann es einem Himmelangst werden – und Dahmen wird offenbar gleich von mehreren Ängsten gebeutelt.

Da wäre die Angst vorm Weglassen. Die Angst vorm Verharmlosen. Die Angst vorm Vernachlässigen und vorm Urteil der eigenen Familie. Die Angst vorm Langweilen. Man könnte mit solchen Ängsten umgehen, wenn man das richtige Werkzeug hätte. Und Dahmen hat es auch – aber nur in einem einzigen Fall. Bei seinem Onkel Eberhard.
Sparsames Geschick
Der ist hinter der Ostfront eingesetzt, bei einer übel beleumundeten Säuberungstruppe. Doch Eberhard schreibt (zensurbedingt) der Heimat nur recht neutrale Briefe. Was also tun? Dahmen nutzt die Möglichkeiten des Comics: Er zeichnet eine Erschießungsszene, der ein Puzzleteil fehlt. Zu Eberhards harmlosem Brieftext bietet er drei passende Puzzleteile an: Eberhard sieht zu. Eberhard schießt selbst. Eberhard macht was anderes. Tatsächliches, Wahrscheinliches und Mögliches auf den Punkt gebracht. Warum nicht öfter so geschickt?

Weil Dahmen „vielleicht“ nicht reicht. Er will alles aus erster Hand, und diese Hand muss die Familie sein, selbst wenn es die Texte nicht hergeben. Was dazu führt, dass alles, was der Familie zustößt, bedeutend sein muss, und alles, was im Krieg bedeutend war, der Familie zugestoßen sein muss. Doch weil dem leider nicht so ist, beginnt Dahmen schnell, allerhand zurechtzubiegen: Briefmonologe wandelt er zu Dialogen. Schaurige Details wie der im Stehen erfrorene Soldat in Russland tauchen einfach ohne Beleg auf, und für Episoden wie den US-Panzer in Düsseldorf wählt Dahmen statt der wahrscheinlichen Panzersorte einfach mal die attraktivere. Immer wieder illustriert er Briefe von der Front mit Szenen, die der Text nicht belegt. Um authentisch zu bleiben, müsste er beim Brieftext bleiben oder solche Szenen fiktiven Personen zuschreiben, aber Dahmen will unbedingt beides zugleich. Das macht historische Realität zum „Wird wohl so gewesen sein“.
Unzuverlässiger Erzähler
Gewichtet wird schnell überhaupt nicht mehr, alles muss rein und Kriegsgreuel kriegen so viel Platz wie die heimatliche Angst der Kinder vorm Kinderschreck. Dahmen will zwar dem Ganzen noch Relevanz verleihen, indem er ein „umfangreiches Glossar“ (SWR) anhängt, Belege sammelt und sogar das Glossar noch belegt, was den Verlag von „akribischer Recherche“ träumen lässt. Aber in drei Vierteln der Fälle nimmt Dahmen als Quelle einfach Wikipedia. Und sogar Goebbels' leicht auffindbare Sportpalastrede sammelt er aus zweiter Hand ein. Das ist nicht „akribisch“, sondern methodisch fragwürdig (und für bestellende Schulklassen wenig vorbildlich). Und ein echter Akribiker wie etwa Joe Sacco hätte bei einem Trommelfeuer wohl auch Artilleriegranaten gezeichnet statt Gewehrkugeln, die zum Fenster reinfliegen.

Den Druck, unter dem Dahmen steht, spürt man immer wieder, wenn ihm gesicherte Zahlen die Verantwortung abnehmen, wie beim Großangriff vom 1. August 1942: Dann zählt er erleichtert 70 Halifax- und 113 Lancaster-Bomber vor, parallel dazu die Opfer (293 Tote). Die Chance zu weiterführenden Einsichten, die sich bietet als Familie Dahmen vom anderen Ufer das Inferno beobachtet, bleibt hingegen ungenutzt. Der echte Dialog fehlt, Dahmen hätte also alle Freiheiten. Aber Dahmen lässt Vati nur auf die „verfluchten Engländer“ schimpfen, und Mutti jammert vorhersehbar „Unsere schöne, schöne Stadt!“ Das ist nicht beklemmend, sondern so brav wie der gefällige karikierend-niedliche Stil Sorte „Glückskind“.
Ein Schlachtkessel Buntes
So bleibt ein 500 Seiten dicker Schlachtkessel Buntes, der zwar mit über drei Pfund Lesendgewicht eindrucksvoll bedeutungshubert, aber die im Klappentext gestellte Frage nach der Verantwortung praktisch nie beantwortet. Ist aber auch schwer, wenn man überhaupt erst nach der NS-Machtergreifung anfängt. „Man hätte früher reagieren müssen“, sagt Papa Dahmen an der einzigen (!) Stelle, die sich dem Problem nähert. Recht dünn in einer Zeit, in der Teile Deutschlands bereits wieder eine Truppe mit Nazipotential zur stärksten Partei wählen. Aber schon hasten wir weiter zur nächsten Episode des knappen Dutzends Hauptpersonen. Und man fragt sich, warum der Autor eigentlich nicht einfach die simplen Tricks bekannter Vorbilder nutzte.

Art Spiegelman und Jacques Tardi blieben bei den Erinnerungen ihrer Väter und versuchten sich weder an einer Geschichte von Auschwitz noch an einer des Zweiten Weltkriegs. Jason Lutes entschied sich für die Weimarer Zeit, versuchte aber nicht, sie in seiner Verwandtschaft zu finden. Und Titus Ackermanns Low-Budget-Experiment zeigt, wie eine präzise Fragestellung das Verzetteln verhindert. So hätte man auch Dahmens unbestreitbar großen Aufwand in fokussierte Bahnen lenken können. Etwa als Serie, die sich einzelnen Familienmitgliedern widmet und dann ein Gesamtbild ergibt. Aber es musste offenbar die ganz große Saga werden, die übrigens immer noch nicht groß genug scheint: Laut Anmerkungen ist ein zweiter Band unterwegs.
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- 16. Nov. 2023
Die Outtakes (8): Was verbindet die Mafia, die Russen und das Leben? Manchmal muss man vor allen dreien weglaufen

Leben undercover
Bitter, aber nicht bitter genug – und das ist gleich ein drittes Mal bitter: Eigentlich ist „I’m still alive“ von Roberto Saviano ein glaubhaft autobiografisches Porträt des italienischen Autors, der seit 15 Jahren von der Mafia bedroht wird. Er führt ein Leben unter Personenschutz, reist undercover, wohnt in Hotelzimmern oder Polizeistationen, nicht unähnlich wie der Autorenkollege Salman Rushdie. Das Leben ist ermüdend, entnervend, aber auch sehr wenig abwechslungsreich. Und das ist auch im Comic spürbar: Was auf den ersten 30 Seiten noch empört, fängt rasch an sich zu wiederholen. Weshalb man beginnt, diese Langeweile ausgerechnet Saviano vorzuwerfen, dem sie ja von der Mafia aufgezwungen wurde. Oft hilft hier Zeichner Asaf Hanuka, der immer wieder ungewöhnliche Bilder für Savianos unfreiwillige Routine findet. Aber alles kann auch er nicht aufpeppen.
Perspektivwechsel

Uli Oesterles „Vatermilch“ war 2020 ein richtiger Volltreffer: der schaurig-schöne Absturz des Markisenvertreters und Vorstadtcasanovas Rufus Himmelstoss im München der 70er Jahre. Als vierbändige Serie ist die Geschichte angelegt, recht ehrgeizig, weil der obdachlose Antiheld eigentlich kaum noch tiefer sinken kann als am Ende von Teil 1. Doch Oesterle kann sich's nicht ganz frei aussuchen, weil die Handlung von der Geschichte seines Vaters inspiriert ist. Die Perspektive hätte man deswegen allerdings nicht ändern müssen: Himmelstoss ist jetzt Ich-Erzähler, der meist wortreich schildert, was die Leser eigentlich erleben sollten. Zudem muss Himmelstoss hinter Oesterles Vater her nun auf den dramatisch unattraktiveren Weg der Läuterung einbiegen, den er lang und breit mit Pennerkollegen diskutiert. Weshalb man statt der Kälte der Straße (Band 1) oft eher die Lauwärme eines Priesterseminars spürt. Für Münchner bleibt der Band allerdings Pflicht: Denn optisch ist Oesterle nach wie vor eine Klasse für sich, und was er aus Vierteln, Straßen, Brücken und Gebäuden der Stadt herausholt, ist Zeitreise und Stadtporträt in einem.
Arme Kühe

Man hätte mehr Brisanz erwartet: In einer Zeit, in der Ukrainer oder Palästinenser auf der Flucht vor der Fackel des Krieges ihre Heimat verlassen müssen, könnte ein Comic wie „Kannas“ Verständnis wecken, warnen, mahnen, wasweiß ich. Denn „Kannas“ widmet sich der Flucht der Karelier 1944 vor der Roten Armee. Und der bereits 2016 erschienene Band dürfte seinen Import nach Deutschland sieben Jahre später natürlich auch der Entwicklung in der Ukraine verdanken. Aber letztlich verheddert sich hier Vieles: So erliegt das Projekt oft der faszinierenden Authentizität zeitgenössischer Fotografien, die großzügig eingebunden werden. Es richtet viel Augenmerk (wegen der vorhandenen Bilder?) auf die Kühe. Und es ignoriert komplett den geschichtlichen Hintergrund, der durchaus ambivalent ist: Ja, erst überfiel die Sowjetunion 1939 Finnland, aber mit Hitlers Überfall auf die Russen ergriffen die Finnen die Chance zur Revanche eben an der unseligen Seite der Nazis. „Kannas“ bleibt im Ungefähren und wird zu einem Mix aus „Harte Zeiten“ und „Ach, die armen Kühe“, eine Art „Ein Kessel Unschönes“. Was bei allem Leid und Elend eben nur halbbetroffen und eher ratlos zurücklässt.
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- 3. Sept. 2023
Der Reiz der Authentizität macht Comic-Biografien zum Trend, hat aber seine Tücken. Drei Beispiele zwischen Annäherung und Abgreife

Der Vorteil von Biografien liegt auf der Hand: Es entfällt der schöne Vorspann-Satz „Nach einer wahren Geschichte.“ Alles ist echt! Alles ist wirklich passiert! Weshalb der Autor eigentlich aus dem ganzen echten Kram nur noch die Rosinen raussuchen muss, oder?
Leider ergeben lauter Rosinen zunächst mal nur einen Haufen Rosinen. Man braucht also doch wieder sowas wie einen Teig drumrum. Und das kriegen nicht alle Biografie-Bäcker hin. Jedenfalls nicht bei diesen drei Beispielen.
Schwacher Start, starker Spurt

„Das Verschwinden des Josef Mengele“ ist eigentlich schon ziemlich gut. Etwas Etikettenschwindel ist zwar beim Leben des in Südamerika untergetauchten Auschwitz-Arztes dabei: Vorlage ist der gleichnamige Roman von Olivier Guez. Doch was Jörg Mailliet daraus zeichnet, ist sehenswert. Eine subversive Atmosphäre dank viel Schwarz und Schatten. Sparsame Details, was bei ihm (wie bei Jacques Tardi) dazu führt, dass das lesende Auge Feinheiten selbst ergänzt. Abwechslungs- und einfallsreiche Bildeinstellungen, eine gute Auswahl von Panels und sehenswerten Splashes. Eine schöne Kolorierung, die von einer braunvergilbten Vergangenheit in eine sonnendurchflutete Gegenwart alles hergibt. Einziges Problem: Szenarist Matz, der erneut Dinge lieber erklärt als zeigt. Die erste Hälfte des Bandes ist voller Vorträge, die irgendwer irgendwem hält oder auch einfach mal endlos für sich selber denkt. Überraschend lässt das ausgerechnet in der zweiten Hälfte nach: Denn obwohl Mengele gerade hier oft allein im Urwald sitzt, hält sich Matz plötzlich angenehm zurück, der Band wird gegen Ende hin fesselnd. Warum denn nicht gleich so?
Lemmy und die Trittbrettfahrer

Erwartungsgemäß furchtbar: „Motörhead – der Aufstieg der lautesten Band der Welt“. „Erwartungsgemäß“, weil Musikbiografien erfahrungsgemäß gefährdet sind, auf Hits und Klischees reduziert zu werden. Hier haben zwei Autoren ein Szenario für drei Zeichner zusammengekleistert, bei dem „Motörhead“-Mastermind Lemmy Kilmister möglichst oft dem Leser zuprostet, rumknutscht, irgendwelche Songzeilen singt, uralte Anekdoten erlebt. Ebenfalls erwartungsgemäß kubikschlimm: Liveszenen.
Wenig ist schwieriger als die Bewegungen eines Rockkonzerts zu einer Momentaufnahme zu verdichten: Weil die attraktiven Momente der Instrumente kaum gleichzeitig stattfinden. Also macht auch hier die Gitarre dies, der Bass das, der Drummer rudert irgendwie dazu. Hingegen entfällt der Versuch, den einzigartigen „Motörhead“-Sound rund um Kilmisters dumpfe Bass-Akkorde darzustellen, genauso wie das Ausleuchten der charakterstarken Person Lemmy, die diesen schwerverkäuflichen Hochgeschwindigkeits-Klangbrei praktisch im Alleingang zum coolen Klassiker machte. Nein, das alles liest sich nicht nach Hommage, sondern eher nach Trittbrettfahrerei. Darauf keinen Whisky-Cola.
Brillanz in blassblau

Und der Sieger ist: „Madeleine, die Widerständige“. Hätte ich auch nicht gedacht, weil ich zuallererst meinte: „Ach je, schon wieder Drittes Reich!“ Das Szenario von JD Morvan beruht auf seinen Interviews mit der Résistance-Kämpferin Madeleine Riffaud und zieht den Leser geschickt in die beklemmende Untergrundarbeit. Denn: Wo findet man denn überhaupt diese Résistance, wenn man als junge Frau empört über den deutschen Einmarsch mitmachen möchte? Morvan zeichnet in Band 1 (von drei geplanten) die ersten Schritte einer ungeduldigen 17-Jährigen, die mühsam Verbindungen knüpft und sich zwischen Beziehung und Besatzung zu beweisen versucht (wer's kennt: Es geht in der Praxis ziemlich in die Richtung von Jean-Pierre Melvilles düsterer „Armee im Schatten“).
Der Gefahr des Abenteuer-Abklapperns entgeht Morvan, indem er einerseits gerade das Spannende in den stillen Momenten entdeckt, und indem er Zeichner Dominique Bertail die großen Momente fast wortlos überlässt. Die regennassen Straßen, den Tieffliegerangriff auf wehrlose Flüchtlinge, Morvan legt nur einige Gedanken Madeleines dazu, die Action, die Atmosphäre vertraut Morvan Bertail an. Eine seiner stärksten Szenen: die Ankunft Madeleines in der TBC-Klinik in den Bergen. Bertail zeichnet schwarz-weiß, nur mit Blau als Ergänzungsfarbe, aber im Unterschied zum gleichartigen Motörhead-Band (oben) weiß er damit was anzufangen. Und so taucht auf der ganz von Bergrücken überragten Seite unten ein Taxi aus dem blauweißen Schnee. Nur zwei kurze Sätze sagt der Taxifahrer, bis sich zum Schluss die Klinik blassblau aus dem blendenden Weiß schält. Hübsch, aber keiner sagt, dass spannende Weltkriegs-Geschichten nicht auch mit zauberhaften Bildern arbeiten dürften.