- 27. Sept.
5 Mangas in 5 Minuten (2.3): Mit 1 Teufelsschule, 1 Geisterheulsuse, 1 Virenkrieg, 1 Hörschaden und essbaren Meerjungfrauen

Heidi Klums Teufel-Academy
Zwei Gruppen bekämpfen sich: die Teufel und die Anderen. Seit wann? Immer. Teufel machen mit ihrem Blut etwa dasselbe wie Green Lantern mit dem Kraftring. Wir treffen einen Neuteufel, der seine Kräfte noch nicht kennt. Ab hier Schema F: Wohin kommt Neuteufelchen? Richtig, die Teufel-Academy. Wo man ihn mit mit anderen Kandidaten zwiebelt, bis er mit verbundenen Ohren einen Schnatz grün streichen kann, und es gibt dauernd Prüfungen wie bei Heidi Klum. Dabei sind gemäß dem Gesetz der Wrestling-Dramaturgie Besiegte nie besiegt und Sieger fühlen sich immer zu sicher. In einfacher Sprache gezeichnet entsteht ein munterer Kaudermasch, den man schon schlimmer gesehen hat. Gut ist er deswegen noch lange nicht.
Sonnenschein goes katz

Das muss ein eigenes Genre sein. Wie soll man es nennen? Schnurrischmalz? Schönfönstöhn? „Mein Nachbar Yokai“ ist ein bizarrer Flash aus der Kinderserienwelt, wo Tinkywinky weint, weil die Erdbeere runterdefallen ist und einer hebt sie auf und alles ist wieder gut. Doch das hier richtet sich eindeutig an ein älteres Publikum. Wir sind in einem Dorf, wo alle immer lieb mit allen Geistern zusammenleben und der alte Kater Buchio nicht stirbt, sondern eine Geisterkatze wird. Und Buchio weiß doch gar nicht, wie man Geisterkatze wird und wollte nie was Besonders sein, ängstlichmaunz. Und dann gehen sie zu einer Grillparty, aber keiner hat Feuer, und dann macht ein anderer Geist Feuer. Das ist aber schwer für Anfängerkatzengeister, beeindrucktglotz, eiaweia, halbgrein, ichbinsoungeschickt, allesgut. Es ist unglaublich schwer, den Würgereiz zu unterdrücken, aber das Ding geht inzwischen in Runde 4, ein Spin-Off ist schon angekündigt. Was wohl etwas über die Gegenwart aussagt, das ich lieber nicht wissen will.
Vom Virus versteinert

Ich kapiere nicht ganz worum’s in „Eden“ geht, aaaber: Dafür hab ich mich gut unterhalten. Wir sind wieder mal in der Zukunft, ein Virus versteinert Menschen, die Gesunden bunkern sich ein. Zwei junge Leute haben schon Antikörper gebildet, die Forscher der Vätergeneration verbindet eine Beziehung, Rückblenden gehen zurück in der Zeit, als der eine noch nicht im Rollstuhl saß – alles hakelig, klappt aber noch. Doch schon im zweiten Kapitel sind wir wieder 20 Jahre weiter, die Welt schaut wieder anders aus, irgendwelche Gruppen bekriegen sich, es wird sehr unübersichtlich. Der Unterschied zu anderen Mangas: Vieles bleibt im Nebel, „Eden“ setzt auf Szenen, die schnell funktionieren. Mit gut inszenierter, brutaler Action, kluger Ruhe, das Ungewisse dient als beklemmender Hintergrund, alles auch noch weitgehend ohne Manga-Mätzchen. Was so gut klappt, dass ich erst auf Seite 350 das dringende Bedürfnis spürte, dass mir wer erklärt, was eigentlich los ist. Aber wenn's so lang nicht stört, ist das ein Gütesiegel, oder?.
Dickflüssiges Verständnis

Schlamperei kann man Mangas selten vorwerfen. Auch „Der Mond in einer Regennacht“ ist akribisch. Da trifft Schusselmaus auf dem Schulweg die geheimnisvolle Zaubermaus, die dann – na? Genau! – auch noch in der Klasse ihre neue Mitschülerin ist, aber sie hat ein Geheimnis: Sie ist – wer errät’s? Nein, nein – hörgeschädigt. Ja, war schwer, geb ich zu, hatten wir bisher noch nicht. Und ab da wird (neben den üblichen Fri-Fra-Freundin-Abläufen) das Thema durchdekliniert, aber gründlich! Welche Formen gibt’s, wie überwindet man gegenseitige Befangenheiten, Missverständnisse, im Grunde ist das Ergebnis wie eine ungewohnt kundennahe Broschüre der Gesetzlichen Krankenkassen bzw. wundert man sich, dass Geers und/oder Amplifon den Sums noch nicht sponsern. Vielleicht, weil das Verständnis teils so dickflüssig aus den Seiten suppt, dass es die empfindlichen Geräte verklebt.
Meerjungfrauen-Mahlzeit

„Mermaid-Saga“ hat was. Das ganze Nixenwesen ist hier ziemlich entschmalzt. Meerjungfrauen sind hier was, dass man isst – und zwar in der Hoffnung, ewig zu leben. Bis auf den Helden Yuta: Der hat schon und will jetzt wissen, wie man wieder sterblich wird. Leider ist das schon alles. Wer das Meerjungfrauenfleisch isst, verträgt es oft nicht und wird stattdessen selber zur Monsterjungfrau, was sich – obwohl doch alle Bescheid wissen – zugleich noch nicht herumgesprochen zu haben scheint. Es folgen lauter unübersichtliche Kämpfe, bei denen wer stirbt, aber doch nicht tot ist und die nächste überraschende Enthüllung kommt so todsicher wie Unfug aus Julia Klöckner. Gezeichnet ist all das wie in den 70ern, die billigste Anime-Pose ist gerade gut genug, für Kopfneigungen ist nur ein einziger Winkel zulässig, und wenn jemand nicht gestorben ist, sagt unfehlbar jemand: „Hä? Lebt er doch noch?“ Und weiter geht die gründlich erklärte Metzgerei über 700 Seiten. Muss man mögen.
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- 30. Aug.
5 Mangas in 5 Minuten (2.1): Zwei Jahre gehen rasch ins Land, neue Mangas fluten die Republik. Hier ist das Comeback des Mangatests

Wie hieß der Satz? Genau: Immer, wenn eine Industrie viel produziert, muss neben einer Menge Schrott auch was Gutes rauskommen. Und wer hat's gesagt?
Ach ja, ich selber.
Weshalb ich nach zwei Jahren wieder im großen Mangahaufen wühle. Nicht in den absonderlichen Ecken, sondern bei den in den letzten zwei Jahren dazugekommenen Topsellern der Verlage. Hier der erste Fünferpack. Die Uhr läuft ab... jetzt!
Tell bis zum Erbrechen

Okay, die Story ist Schablone. In „Kuroko’s Basketball“ treffen sich Schüler im Basketballkurs. Einer wuchs in den USA auf und spielt daher (klar!) super. Ein anderer eher unscheinbar, obwohl er von einer Wunderschule kommt. Aber man könnte was draus machen. Eigenheiten enthüllen, Teambildung zeigen. Zumal die Zeichnungen gut sind. Leider ist das einer der Mangas, die die Regel „Show, don’t tell“ ignorieren. Zugunsten der Regel „Tell bis zum Erbrechen“. Sobald Unscheinbarbub unscheinbar spielt, denkt wer: „Hä, spielt der aber unscheinbar – der kommt doch von der Wunderschule“. Sobald sich das Unauffällige als Vorteil entpuppt, heißt es sofort: „Oh, spielt er extra unscheinbar? Ist das sein Vorteil?“ Dahinter steckt zweierlei: A) ist es schwer, Sportszenen zu entwickeln, in denen der Leser derlei selbst merkt. B) wüsste es die Kundschaft wohl nicht mal zu schätzen. Stimmt vielleicht sogar. Heißt aber auch, man könnte genauso ein paar Kids mit Bällen reinstempeln, dazu die Standard-Staunfressen, in der Sprechblase steht „Häääh? Ist er etwa gut“ oder „Waaah! Ist er etwa schlecht?“ Das kann’s doch nicht sein, oder?
Nasse Bluse, harte Kolben

„Uwääh“, wie's im Manga gern heißt: „Georgie“ ist wirklich klebrig. Wir sind Ende des 19. Jahrhunderts in Australien, wo die blonde Georgie mit untertassengroßen Augen und zwei Brüdern aufwächst, die sie schon ab Seite 12 oder so „als Frau wahrnehmen“. Abel, der Ältere, muss daraufhin sofort zur See fahren, weil er’s sonst gar nicht mehr packt, der Jüngere macht auch irgendeinen Schrott, dann lernt die Blonde einen reichen Erben kennen, der wenigstens nicht mit ihr verwandt ist. Trotzdem werden dauernd alle nass und die Blusen durchsichtig und die Jungs rennen ohne Hemd herum und huch und hach und wir machen einen Bumerangwettbewerb um die Maiskolbenmaschine. Wer den auf einem Anime der 80er basierenden Quark durchlesen will, nehme eine Flasche Himbeergeist dazu, anders ist der Kleister kaum auszuhalten.
Titanenkampf: Rektor gegen Hirsch

Keiichi Arawis „Nichijou“ kann man gut mögen. Ein Episoden-Comedy-Comic, der an einer Schule spielt und mit verschrobenem Humor daherkommt. Wir haben etwa das Robotermädchen, das unbedingt für einen Menschen gehalten werden will, was schon daran scheitert, dass a) es alle wissen, weil sie b) mit einem gigantischen Aufziehschlüssel im Rücken rumrennt. Arawi schaukelt die Episoden auch hemmungslos hoch: Wenn die Klassenpfeife vor die Tür geschickt wird und nichts sehnlicher will, als wieder reinzustürzen und die Sensation zu verkünden, die sie vor der Tür beobachtet: Wie der Schulrektor in immer abstruseren Varianten gegen einen Hirsch kämpft. Auch schön: Die blitzartigst eskalierende Gewalt seit Clever & Smart. Nicht alles klappt, aber viel öfter als nicht: So viel Spaß hatte ich mit einem Manga schon lang nicht.
Schluss mit der Gratiswelt

Das Intro von „Omniscient Reader’s Viewpoint“ langt ordentlich hin: der Berufsanfänger Dokja hat in den letzten zehn Jahren alle 3149 Kapitel eines unbekannten Webromans gelesen. Thema: Weltuntergang. Und grad, als er fertig ist, wird der Roman Wirklichkeit: Weshalb Dokja als einziger weiß, was passiert und wie‘s ausgeht. Ja, seltsam, wer schreibt für einen Leser 3000 Kapitel? Aber vermutlich ist Dokja irgendwie auserwählt. Trotzdem: Wenn Größenwahn, dann richtig. Und die Schlagzahl bleibt hoch, auch wenn der Manhwa (Manga aus Korea) so hölzern erzählt, dass die Spreißel aus den Seiten ragen. Dokja trifft in der U-Bahn die Firmenschönheit, dann verkündet ein teddybärhafter Dämon das Ende der Gratiswelt: Ab jetzt wird bezahlt. Nicht mit Geld, sondern mit Punkten aus einer Art Weltvideospiel. Erste Aufgabe: Wer in den nächsten 30 Minuten keinen killt, stirbt selbst. Das ist nicht wirklich gut, aber immerhin dreist und tröstet darüber hinweg, dass durch die „Roman-wird-wahr-Konstruktion“ der titelgebende Leser noch mehr erklärt als im Manga eh üblich.
Bemerkenswert brachial

Es gibt reichlich Blut, vom Start weg. „Vagabond“ ist eine brachial-bemerkenswerte Heldensaga. Zwei junge Männer, Takeza und Matahachi, überleben halbtot eine Schlacht. Als ein Trupp der Sieger das Gelände nach überlebenden Gegnern absucht, töten die beiden den Trupp und verbergen sich in einem nahen Dorf. Das sieht authentisch aus, es gibt weder Zauber noch Superschwert, man tötet derart brutal mit Steinen, Ästen, allem Greifbarem, dass es beim Zuschauen wehtut, gerade in diesem Großformat. Dennoch ist die Handlung abwechslungsreich und aufwändig gezeichnet: Sie wechselt die Perspektive, baut überraschend erotische Elemente ein, portioniert die Gewalt so geschickt wie geduldig und baut immer wieder eigenwillige Gegenspieler auf. Was soll man da noch sagen außer: rundum überzeugend?
