Ein erstaunlicher Comic-Hybrid der 70er erscheint erstmals auf deutsch: „Omaha The Cat Dancer“ ist eine Porno-Soap, bei der man Sex und Story gleichermaßen genießen kann
Sehr verwirrt ich bin. Vor mir liegt „Omaha“, ein Comic über eine nackt tanzende Katze, die der Verlag als „weibliche Antwort auf Fritz The Cat anpreist.“ Das ist eine ziemliche Hausnummer, allerdings die falsche: Mit Robert Crumbs opportunistisch-verlogenem Kater hat Omaha wenig zu tun. Aber „Omaha“ ist nichtsdestoweniger irgendwie… wie soll man sagen… gut. Und sehr, sehr anders.
Unter der Gürtellinie: ein bis zwei Schwänze
Aber der Vergleich mit Fritz liegt nahe, auch Omaha ist eine Katze. Aber Fritz und seine Freundinnen blieben unter der Gürtellinie ziemlich plüschig. Bei Omaha, ihren Freundinnen und Freunden ist da unterhalb des Katzenkopfs alles dran, je nach Geschlecht gibt es ein bis zwei Schwänze, alle voll funktionsfähig, und das wird nicht (wie bei Fritz) nur witzig angedeutet, sondern auch mehrfach lustvoll vorgeführt. Alles klar, kann man Porno nennen, oder? Aber hier wird’s eben spannend.
Denn für Porno ist „Omaha“ – wie soll man es ausdrücken – zu gut und zu aufwändig. Omaha redet mit ihren Gespielen vor dem Sex und nach dem Sex aber auch. Wo im Porno nach dem Orgasmus abgeblendet wird, geht die Szene bei „Omaha“ weiter. Und wenn zwei zur Tür reinkommen, dann vögeln sie nicht immer los, sondern essen auch mal was.
Mehr als nur eine Supermöse
Dazwischen trifft Omaha Freunde und kämpft um ihren Job, denn die Strip-Clubs der späten 70er sollen in einem konservativen Rollback dichtgemacht werden. Sowas kennt man im Porno schon auch, aber nur als Feigenblatt, etwa in den Schulmädchenreports und Lederhosenstreifen, die das lustvolle Sex-Entdecken hauptsächlich als gutverkäufliches Angebot zum Mitspannen verwerteten. Bei „Omaha“ versucht jemand sichtlich und erfolgreich, aus seiner Protagonistin mehr zu machen als eine Toptänzerin und Supermöse.
In unserer Schubladenwelt ist das eine sehr verwirrende Erfahrung, immer noch.
Ersonnen hat das Ganze der Amerikaner Reed Waller Ende der 70er Jahre. Die Inspiration dahinter war tatsächlich Fritz The Cat. Aber während Crumbs Kater eine bittere Abrechnung mit den Schwätzern und Abstaubern der sexuellen Revolution war, stellte Waller von Beginn an das Positive in der Vordergrund. „In meiner Generation konnte man erstmals frei wählen, ob man offen schwul leben wollte, alternative Beziehungen führen, Drogen nehmen“, erinnert er sich 2013 in einem Interview.
Die Suche nach der besseren Comic-Soap
Die Strip-Clubs, in denen Waller Omaha tanzen ließ, besuchte er selbst, für ihn war es gesellschaftlicher Fortschritt, dass man sich nicht mehr verstohlen hineinschleichen musste. Zugleich ist Waller aber auch ein enttäuschter Liebhaber des Comic-Soap-Genres: Die Zeichnungen waren ihm oft zu schlecht, die Dialoge zu gekünstelt. Das Resultat ist die Reaktion auf diese Enttäuschung.
Wenn Omaha backstage mit einem Verehrer streitet, kriegt man ein echtes, pfiffiges Gespräch, ein Rededuell mit Aggression und Missverständnissen, und jede Regung sitzt in punkto Mimik und Körperhaltung so wie wenige Seiten zuvor, als Omaha noch begeistert und schamfrei beim Tabledancen jede Menge Einblicke gewährte. Wenige Seiten später wird gevögelt, sorgfältig, aber definitiv irgendwie anders.
Aufregend und völlig unverklemmt
Das ist nicht die schwülstige Weichzeichnerei des Softpornos, auch nicht die ruppige Nüchternheit des Standardpornos. Es erinnert zuerst leicht an die Tijuana Bibles, die illegalen Porno-Parodien bekannter Zeitungsstrips der 30er. Aber nach und nach merkt man, was so seltsam ist: die Zuneigung, mit der Waller seine Figuren behandelt. Sie führt dazu, dass die Sexszenen zugleich aufregend, aber auch völlig unverklemmt und natürlich wirken.
Man sieht, liest und spürt einen Hauch von den spannend-entspannten Freiheiten und Möglichkeiten, die sich die sexuellen Revolutionäre erträumten, bevor letztlich Pornhub und Co. wieder den klammheimlichen Hausgebrauch nahelegten. Waller selbst stellte schon zu Beginn der 80er fest, dass ihm die Story-Ideen ausgingen. Es war eine Frau, die Omaha aus dem Dornröschenschlaf erweckte.
Hinter den Stories steckt eine Frau
Kate Worley, eine Arbeitskollegin, schlug Waller verschiedene Szenarien vor, und Omaha tanzte fortan wieder. Leider, soweit sich das nach dem ersten Band sagen lässt, mit deutlich erhöhtem Soap- und noch deutlicher reduziertem Sex-Anteil (einmal pro Heft). Das nimmt dem Ganzen etwas den besonderen Reiz, aber mindestens einen Band würde ich noch ausprobieren. Schon, weil bei Omaha immer noch eine sehr angenehme Duftnote aus der Zukunft mitweht: Terry Moores wunderschöne, jugendfreie Romantik-Serie „Strangers In Paradise“ nutzt viele jener erzählerischen Freiheiten und Möglichkeiten, die diese Striptease tanzende Mieze erstmals vorführte. Schnurr!
Dieser Text erschien erstmals bei SPIEGEL Online.