Die Outtakes (18): Ein kauziger Monster-Entdecker, ein lausiger Einparker und ein kulturreiches Katzenversteck
Halbwitzig, aber harmlos
Auauau, das wird nichts mehr mit dem Bruno Duhamel und mir. Warum? Weil Duhamel gerne mal ernste Themen behandeln will, sie sich aber so rohrzangenhaft zurechtquetscht, dass alles zu spät ist. Im letzten Band „Niemals“ eiferte er den „Alten Knackern“ nach, erfand aber eine toughe Oma, die zwar auch noch blind sein musste, aber wundersamer Weise so gut mit allem zurechtkam, dass man die Story genauso gut einer sehenden Sportskanone hätte zuschreiben können. „Erstkontakt“ soll jetzt offenbar medienkritisch werden. Ein Alien/Loch-Ness Monster wird von einem verschrobenen Fotokünstler abgelichtet. Dass er verschroben ist, merkt man daran, dass er seine Bilder am liebsten nicht zeigt. Dass Duhamel seine Figuren egal sind, merkt man daran, dass ausgerechnet dieser Künstler seine Bilder erst ins Netz stellt (!) und sich dann über die Resonanz beschwert (!!). Da hab ich dann auch keine Lust mehr weiterzulesen. Aber wenn Sie an Comics das störungsfreie Dahinplätschern im harmlosesten frankobelgischen Halbwitzigstil mögen: Greifen Sie zu.
Munter mit kleinen Macken
Okay: Das hier ist schon irgendwie ein Outtake und gleichzeitig auch wieder keiner. Keiner, weil: Maurizio Onano eine muntere schwule Erzählweise jenseits von Ralf König gefunden hat: Eine Art Dauerseufzen, das aber den/die Fehler weniger bei anderen sucht und dafür mehr bei den eigenen Macken verortet. Das ist schon recht lustig, keine Frage. Und das nicht nur, wenn zwei lästernde Frauen Onanos Helden Fabian beim Einparken zusehen. Zum Outtake wird's, weil Nichtschwule nicht ganz so könig-lich einfach andocken können: die Probleme sind ein bisschen speziell, und die immer leicht melancholisch-resignative Grundhaltung könnte man auch mit einem „Deine Sorgen möchte ich mal haben“ abtun.
Was ja genau der eigentliche Witz ist - oder eben nicht.
Maunz-Overkill
Was predige ich immer und immer wieder? Genau, folgen Sie dem Autor. Wenn Sie das bei Taiyo Matsumoto gemacht haben, sind Sie schon auf die liebenswerten Brutalokinder von „Tekkon Kinkreet“ gestoßen, auf die hemmungslosen Waisen von „Sunny“ und das Tischtennis-Drama „Ping Pong“. Aber „Die Katzen des Louvre“, da weiß ich echt nicht. Es geht um Katzen, die Phantom-der-Oper-haft heimlich im Louvre wohnen, gelegentlich halbmenschenkinderform annehmen (wenn sie unter sich sind), manchmal in die Bilder hineinspringen… Ja, schon klar, das hat manchmal poetische Momente, aber insgesamt wirkt der Sud aus Kinder, Katzen, Kunst, Eiffelturm, Magie wie ein Fegefeuer der Niedlichkeiten, bei dem man die zärtlichen Vampire vergessen hat. Wobei: vielleicht ist der maunzige Reiz-Overkill für Andere ja genau das Richtige.
Sie wollen Ihren Senf dazugeben? Dann hier:
In Lena Steffingers beklemmend-bunter Parabel „Alles Gute“ erwartet ein bizarres Urlaubsparadies gutgelaunt die kommende Katastrophe
Merkwürdig. Denkwürdig. Dabei sieht „Alles Gute“ gar nicht so aus. Sondern viel mehr wie ein weiterer, prinzipiell gutartiger Comic aus dem gleichfalls prinzipiell recht gutartigen Jaja-Verlag. Buntstiftig gezeichnet, knallige Farben, Blümchen, alles wirkt so harmlos, dass man’s sofort gelangweilt weglegen möchte. Wäre aber ein großer Fehler. Und das erste Indiz dafür ist, wie Lena Steffinger ihre Geschichte verseltsamt.
Warten auf die Besuchung
Eine junge Frau fährt in einen Ort am Meer, die Gegend ist hübsch, sonnig, naja, die Blumen sind ein bisschen groß (ist mir anfangs garnicht aufgefallen bzw. ich hab's für ein Stilmittel gehalten). Und das Ortsschild sagt: „Paradisen. Mehr als Sie je erträumen werden.“ Was irgendwie ungelenk klingt, aber was soll‘s. Kurz darauf trifft die Frau eine andere junge Frau. Sie wird die Andere offenbar ablösen, der Job ist wohl nicht ganz unproblematisch, denn die Andere sagt: „Wird schon gut gehen, die letzte Besuchung war recht mild.“ Hä? Besuchung?
Was ist eine Besuchung? Und wenn die auch unmild sein kann, warum fährt man dann da überhaupt hin? Wie Steffinger ab jetzt mit all diesen Fragen spielt, ist mit jeder Seite eine immer hellere Freude. Die junge Frau wird das Sorgentelefon des Ortes betreuen. Als Ortsfremde, die völlig neu angekommen ist? Sie wird ein Katastrophen-Kit bekommen, und alle werden ihr sagen, wie brutal hart ihr Job sein wird. Aber tatsächlich wird sie in einem vollverglasten Büro über der Stadt thronen, in dem keine Sau anruft.
Ungenutzte Kummernummer
Ich sag’s gleich: Wenn Sie’s lieber präzise mögen, wird das kein schönes Lesen für Sie. Aber wenn Sie’s kafkaesk mögen, ist „Alles Gute“ einfach grandios. Die „Besuchungen“ sind offenbar Katastrophen, die den Ort alle sieben Jahre heimsuchen. Sie sind jedes Mal anders, sie sind zugleich Bedrohung, aber auch Touristenattraktion, und je näher das Datum rückt, desto mehr wird gerätselt, was es wohl diesmal sein könnte. Es ist eine eigenwillige Form von sorgloser Lustangst, die den Ort erfüllt, den wunderlicher Weise auch niemand verlässt.
Verraten will ich nicht all zu viel, man kann’s auch bei diesem Rätsel belassen – aber man kann selbstverständlich auch ins Symbolische abdriften, sobald man den Eindruck hat, dass es einem womöglich bekannt vorkommt, wie Leute sehenden Auges in eine Katastrophe gleiten. Steffinger ließ sich von der Corona-Pandemie inspirieren, aber herausgekommen ist etwas wesentlich breiter Deutbares. Das einen auch deshalb so beklommen macht, weil es eben nicht in den handelsüblich Finsterfarben daherkommt, sondern so leuchtend sonnig, mit grünen Parks, freundlichen Menschen, interessanten Häusern und weitestgehend schurkenfrei. Ich würde da jederzeit Urlaub machen, aber natürlich nicht, wenn ich mit Besuchungen rechnen muss.
Sie wollen Ihren Senf dazugeben? Dann hier: