Comeback für Frank Miller: Zum dritten Mal lässt der Star-Autor den alternden Batman die Welt retten, denn Superman fällt aus – wegen Erziehungsproblemen
Wenn man ein Superheld ist und die Welt beherrschen kann: Warum sollte man diese Welt dann den Menschen überlassen, die sie nur ausbeuten, verschmutzen, zerstören? Gut, der liebe Gott macht das so, der will aber auch sehen, wie sich der Mensch bewährt – diesen göttlichen Prüfauftrag haben Superhelden nicht. In der neuen Graphic Novel von US-Altmeister Frank Miller beantwortet eine Sekte von Kryptoniern, ausgestattet mit denselben Kräften wie Superman, die Frage mit: „Man sollte nicht das Gewürm herrschen lassen, man sollte selbst über die Erde herrschen.“ „Make Kryptonians Great Again“, sozusagen – nicht nur deshalb ist Millers Rückkehr zum Comic erfreulich aktuell. Was nicht selbstverständlich ist, denn, ehrlich gesagt: Ich hab mich auf Neues von ihm schon mal mehr gefreut.
In einer Dekade zur Legende
Vor etwas mehr als 30 Jahren startete Miller eine Reihe von Projekten, die ihn innerhalb einer Dekade zur Legende machten und ihm sechs Eisner Awards bescherten. Er hat mit „Die Rückkehr des Dunklen Ritters“ Batman und das komplette Superhelden-Genre erwachsenen- und feuilletonfähig gemacht. Er hat mit „Sin City“ die düstere Welt Philip Marlowes mit einer clever-spartanischen schwarz-weiß-Optik renoviert. „Elektra Lives Again“ war eine Comic-Novelle im Superheldengewand über Abschied und Verlust. Er schrieb die Saga um Martha Washington, die Satire „Hard Boiled“, und mit „300“ lieferte er derart süffige Action aus der Antike, dass Zack Snyder den Band nur noch abfilmen musste.
Die besondere Stärke von Millers Comics lag dabei in der gesellschaftlichen und politischen Relevanz. Der „Dunkle Ritter“ erforschte nicht nur die Abgründe seines eigenbrötlerischen, selbst-gerechten Helden, er zeigte ihn auch gewitzt, böse und realitätsnah im Spiegel einer modernen Mediendemokratie. Martha Washington, eine schwarze Soldatin aus einem abgeriegelten Ghetto, kämpft sich durch einen Bürgerkrieg, in dem jede Organisation mitkämpft: Konzerne, Staaten, Nazis, die Gesundheitsindustrie. Der Kampf der 300 Spartaner gegen 100.000 Perser war immer auch ein Spiegel für den Einmarsch einer hoch überlegenen Supermacht – diese Perser waren eine antike Variante der USA. Aber irgendwie muss ihm nach all diesen Jobs und durch seinen neuen Job als Hollywoodregisseur (Sin City, The Spirit) die Lust am Zeichnen komplett abhanden gekommen sein.
Miller ging die Luft und die Lust aus
Schon die letzten Teile von „Sin City“ waren immer eindimensionalere Ansammlungen von schießfreudigen Kerlen und mehr oder weniger nackten Frauen. 2001 erschien dann die enttäuschende Fortsetzung seines Meisterwerks um den Dunklen Ritter, ein liebloser Dreiteiler, bei dem Panels gerne auf Seitengröße aufgeblasen wurden. Dazu wurde möglichst jeder Held der Comicgeschichte und jede Farbe der Computerpalette hineingerührt, ein Kessel Superbuntes.
Auch in „Dark Knight III: Die Übermenschen“ liefert Miller einige Panels ab, die den Eindruck hinterlassen als könnte er heute den Stift nicht schnell genug fallen lassen. Aber die gute Nachricht ist: das Zeichnen hat er zum größten Teil anderen überlassen, vor allem Andy Kubert, der die Original-„Dark Knight“-Optik interpretiert, zitiert, aber auch oft auch einfach nur angenehm imitiert. Die bessere Nachricht ist: Die Story hat wieder eine Menge ordentlicher Inhalte.
Starke Momente im Zwischenmenschlichen
Supermans Tochter Lara ist inzwischen im Teenie-Alter und der Kryptoniersekte verfallen, Superman selbst hält sich daher raus. Der Widerstand wird von Batman organisiert, bei Miller nach wie vor der einzige Superheld, der überzeugt ist, dass er immer Recht hat. Das Alter hat das verstärkt, Millers Batman ist jetzt über 60, er braucht eine Krücke, und als er verletzt wird, ringt er Superman einen ziemlich rührenden Senioren-Eid ab: „Kein Krankenhaus. Versprich es mir!“
Überhaupt hat die neue Novel ihre stärksten Momente oft im Zwischenmenschlichen. Bruce Waynes Sorge um und sein grenzenloses Vertrauen in Sidekick Carrie, die sich von Robin zum Catgirl zum Batgirl hocharbeitet, aber trotzdem immer sein „guter Soldat“ bleibt. Carries liebevolle Loyalität zur unverwüstlichen Fledermausvaterfigur. Die scheiternde Erziehung von Lara durch ihre Mutter Wonder Woman. Nicht neu, aber erneut schön provozierend ambivalent: Batman selbst, ein Traum von einem gerechten Faustrechts-Fanatiker, der gerade dadurch natürlich Sehnsüchte nach dem „guten Diktator“ beklemmend beflügelt.
Gangster fangen - ein Anachronismus
Kurz vor Schluss findet sich meine Lieblingsszene: das Bat-Team bei der eher beiläufigen Festnahme dreier Normalgauner. So hat das mal angefangen, und es ist schon verblüffend, wie anachronistisch dieser Moment heute wirkt. Denn nicht nur die gelegentlichen, recht harmlosen Trump-Einspieler zeigen: Die wahren Bedrohungen der Welt sind längst nicht mehr Kleinkriminelle, Ladendiebe und Falschparker.
Frank Miller/Brian Azzarello/Andy Kubert: Batman: Dark Knight III – Die Übermenschen, Panini, 39 Euro
Dieser Text erschien zuerst bei SPIEGEL Online.