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Online Dating: Das Ziel ist der Weg

Schonungslos und seeehr unterhaltsam: Helena Baumeister zeichnet mit "oh cupid" eine wunderbare Momentaufnahme der Sex-Suche im Internet

Illustration: Helena Baumeister - avant-verlag

Sensation: Die Frau, die mit mir in der Wohnung wohnt, hat über diesen Comic gelacht. Mehrfach. Und ihn weitergelesen, freiwillig. Ich selber auch: mehrfach gelacht. Und weitergelesen, gern. Dabei habe ich zuerst genau dasselbe gedacht wie vermutlich derdieeineoderandere Leser auch: Oooch, Bleistift. Aber: garnicht ooch! Sondern: geil! Muss ja auch: Geht schließlich in Helena Baumeisters „Oh cupid“ um Sex.


Online Dating: Das Ziel ist der Weg


Baumeister erzählt die Geschichte von Helena, Single, zwischen 20 und 30. Helena datet online. Man sieht, wer grade in der Gegend verfügbar ist, textet herum ob man sich mag, dann trifft man sich. Und, Älteren muss man dazusagen: Das ist nicht wie analog Flirten. In Discos sind manche nur zum Tanzen, Leute auf der Dating-Plattform überspringen hingegen einen Schritt und sehen Sex von vornherein als Option. Helena ist schon länger auf der Plattform, wir begleiten sie zum vierten Date.


Eine sanfte Warnung muss dazu, weil weil Helena Baumeisters Stil zunächst unattraktiv wirken kann. Aber: Unbedingt dranbleiben, es lohnt sich! Vor allem wegen der Einblicke in Helenas Innenleben. So fährt Helena per Bahn zum Date und findet das Ticket recht teuer. Mitten in der kribbeligen Vielleichtsex-Stimmung. Und doch kann sie den Sparfuchs nicht ganz abschalten... Kennen Sie das?


Aus zwei Händen werden acht


In der Bahn hübscht Helena sich auf, aus ihren zwei Händen werden acht … Und so geht das weiter: Das Date schlägt zum Kennenlernen eine Mietrad-Tour vor. Baumeister findet Bilder zum wackligen Einfahren und für die ganz normale Überforderung: Helena will fit wirken, geschickt plaudern, nicht zu viel sagen, nicht zu wenig, interessiert aussehen, feststellen, ob es heute schon Sex geben soll, überlegt, ob Sex-Absagen blöd ist, ob er sie ohne Sex ein zweites Mal treffen wird. „Ich nervöses Huhn laber den total voll!“, schimpft sie sich still, und schon radelt ein Huhn gackernd neben dem Typ, der dann komisch schaut, mit drei Köpfen und sechs Augen.


Die Unbehaglichkeit, Unsicherheit, das Fremdschämen, all das spürt man förmlich. Auch dank der überraschenden Bilder: Als Helena entscheidet, dass es (noch) keinen Sex gibt, biegt sie doppelt ab: Ihr Bike knickt in der Kurve in den Rädern zur Seite, sie fährt rechtwinklig weiter, und dann als sie sagt: „Ich komm später nicht mit zu dir!“, sind die Gesichter so lang wie die ganze Seite hoch.


Zähneklappernd zur Zärtlichkeit


Das zweite Treffen läuft besser, Sex steht Helena ins Gesicht geschrieben, sie ist so aufgeregt, dass ihre Zähne klappern, und auch hier passt ihr krakeliger Stil unerwartet gut: Schließlich findet man sich selbst beim ersten Mal auch oft eher krakelig als aufregend. Und genauso passgenau kriegt Baumeister schließlich die Kurve zum großen Danach.


Helena übernachtet bei ihrem Date. Es ist neu, es ist aufregend – und durchzogen von der Sehnsucht nach Geborgenheit. Doch dafür ist die App nicht da: Sie kann den Schritt zum Sex vereinfachen – aber sie entlastet nicht von der bangen Frage: bin ich für ein weiteres Treffen qualifiziert? Oder sogar für etwas Dauerhaftes? Oder ist der ungelenke Abschied zugleich ein Schlussstrich?


Liebesreise ins Ungewisse


Helena Baumeisters „oh cupid“ hat alles, was zu einer Liebesreise ins Ungewisse gehört. Und legt dabei wunderlich einleuchtend nahe, dass sich im Grunde garnichts ändert – und das pflegeleichte Internet nur die Momente der Unsicherheit verschiebt. Die Ängste bleiben – kein Wunder: die sind ja analog.


 


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