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Comicverfuehrer

Schnelles Superhelden-Update: Wie sich auch der verstörendste Maskierte um den heißen Brei drückt

Illustration: Tom King/Jorge Fornés - Panini
Illustration: Tom King/Jorge Fornés - Panini

Kürzlich hatte ich über everybody's darling Superhelden genölt: Weil alle Trump ignorieren (oder nur verschämt thematisieren), obwohl Diktatoren und deren Vorstufen zur absoluten Superhelden-DNA gehören. Daraufhin wurde mir Tom Kings „Rorschach“ empfohlen. Und tatsächlich: Der Figur aus Alan Moores Antihelden-Universum wäre mehr zuzutrauen. Ich also: sofort „Rorschach“ besorgt. Und?


Watchmen - 35 Jahre danach


Wir befinden uns 35 Jahre nach der „Watchmen“-Handlung, eine junge Frau und ein Mann im Rorschach-Outfit werden erschossen, als sie versuchen, den US-Präsidentschafts-Kandidaten Turley zu töten. Turley ist steht kurz davor, den seit vier Amtszeiten herrschenden Präsidenten Redford abzulösen. Ein Cop soll die Hintergründe ausleuchten, weil Turley vermutet, Amtsinhaber Redford stecke dahinter. Nach einer altmodisch langatmigen Ermittlung scheint das auch so auszusehen, die toten Attentäter sind zudem selbst leicht verstrahlt: Rorschach glaubt, eine Wiedergeburt des echten Rorschach zu sein, und so weiter und so kompliziert. Zu guter Letzt sind alle korrupt und der Cop bringt Turley dann selber um. Was sagt uns das?

Illustration: Tom King/Jorge Fornés - Panini
Illustration: Tom King/Jorge Fornés - Panini

Vor allem, dass King null Ahnung hat, was man heute macht, wenn man seit vier Amtszeiten regiert: Man wirft die Konkurrenz unter fadenscheinigen Vorwänden in den Knast (siehe Russland, Belarus, Türkei, demnächst USA). Fall erledigt. Der Rest von Kings Handlung kommt an Verworfenheit nicht über Watergate hinaus, das ist Politkritik auf dem Level von 1972. Ein weiteres Mal wäscht sich ein Superheld den Pelz, ohne sich nass zu machen. Das ist, man muss es so deutlich sagen, arm.


Es geht nicht um Albert Huber aus Jodelland


Als Captain America sein erstes Abenteuer bestritt, bekämpfte er keinen Albert Huber aus Jodelland. Superhelden erfinden keine Look-Alikes und nennen Verbrecher bei ihrem richtigen Namen. Ich gebe zu, dass derlei einfacher ist, wenn der Verbrecher nicht Präsident des eigenen Landes ist. Aber wer da Angst kriegt, sollte weder Superhelden erfinden noch zeichnen noch betexten noch verkaufen.

 


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Die Outtakes (29): Diese Comics möchten wichtige Themen auf den Punkt bringen - und landen jeweils knapp daneben



Illustration: Lisa Frühbeis - Carlsen
Illustration: Lisa Frühbeis - Carlsen

A Debberla dudd si hald hardd


So ist’s eigentlich recht: Mit Lisa Frühbeis widmet sich in „Der Zeitraum“ eine gestandene Max-und-Moritz-Preisträgerin der Problematik alleinerziehender Frauen. Und Medien quer durch die Republik haben Frau Frühbeis dafür auf die Schulter geklopft, dass es nur so staubt. Nach der Lektüre wundert man sich allerdings ein wenig, wofür.

Lisa Frühbeis‘ Protagonistin ist eine junge Musikerin, die in sieben Tagen eine wichtige Komposition abgeben muss, aber eben leider/gottseidank auch noch zwei Kinder an der Backe hat. Was tut die junge Mutter also? Sie fährt mit den Kindern in den Urlaub. In ein Tiny House, das praktisch nur aus zwei Räumen besteht, so gut wie keine Rückzugsmöglichkeiten besitzt, auf einer Insel liegt, damit man die Kinder auch nicht mal per Bus ins nächste Kino schicken kann. Ich weiß nicht, wie’s Ihnen geht, aber ich denk dabei sofort: Warum nimmt sie eigentlich nicht noch ihren dementen Großvater mit, drei Hunde und vermietet eines der zwei Zimmer an einen kokainsüchtigen Studenten? Ja, optisch sieht das alles klasse aus: Für die Nöte findet Lisa Frühbeis schöne, sehenswerte Bilder, lebendige Farben. Aber all das hilft nicht mehr viel, wenn man Protagonistin samt Anliegen vom Start weg diskreditiert und es noch nicht einmal merkt. Denn so illustriert man nicht die Nöte alleinerziehender Mütter, sondern allenfalls die selbstgemachten Probleme unbedarfter Menschen. Oder, wie der Franke sagt: „ A Debberla dudd si hald hardd.“



Verzockt

Illustration: Jean Zeid/Émilie Rouge - Carlsen
Illustration: Jean Zeid/Émilie Rouge - Carlsen

Gutes Thema, schlimme Umsetzung: „Gaming“ von Szenarist Jean Zeid will die Entwicklung des Videospiels nachzeichnen, und da lacht ja zunächst das Herz des alten Mannes. Tatsächlich ist das Wiedersehen mit all den Erinnerungen angenehm, die Darreichung hingegen erschütternd altbacken. Zeid muss zwei Gestalten das Ganze erzählen lassen, einen Klugi (sich selber) und ein Doofi (Zeichnerin Émilie Rouge), und als ob das nicht genug wäre, muss auch noch ein Computerkästchen mit herumschweben wie diese Uhr in „Es war einmal der Mensch“. So spannend die Infos sind, so sehr treibt einem die Erzählweise Tränen in die Augen. Wie soll man das erklären… es ist so ziemlich wie seekrank aufm Traumschiff. Und das Ärgerlichste: Vor lauter Erklären übersehen die beiden wichtige Themen wie eingebaute Suchtmechanismen, In-Game-Käufe, all den fiesen Kram, der aus der schönen Spielerei immer öfter eine üble Abzocke macht.


Falsch eingelocht

Illustration: Sarah Hübner - Jaja-Verlag
Illustration: Sarah Hübner - Jaja-Verlag

Verlockend: Sarah Hübner legt mit „Unruhe“ eine schön reduziert bebilderte Parabel vor. In einem Bergdorf samt Postbotin entsteht auf einmal ein riesiges Loch. Irre tief, unfüllbar. Das beunruhigt die Menschen. Es kommen Geologen, die sagen, das Loch wäre sicher – aber wer weiß? Vielleicht lügen die Experten? Die Menschen ändern sich, jemand verkauft Streichhölzer als Amulette, und von einer alten, weisen Frau bekommt die Postbotin den Tipp: Nicht das Loch ist schuld, es gibt einen Brandstifter, der die Leute verdreht, und…

Hier ist dem Leser das Ziel längst klar: Eine Verschwörungsparabel soll's sein, die den Irrsinn elegant veranschaulicht. Doch dazu passt eines leider nicht: das Loch. Das Problem mit Corona oder Klimawandel ist doch, dass sie Unangenehmes verlangen (Masken, neue Heizung, weniger Schnitzel). Darum fliehen die Leute lieber in eine Quatschwelt. Doch das Loch verlangt – nichts. Man könnte es sogar als Touristenhotspot nutzen. Und so kann Hübner die Schwurbel-Symptome eben nur aufzählen, aber nicht: erklären oder entlarven (was der Sinn einer Parabel wäre). Vollends bricht die Analogie zusammen, als die Dörfler die Seilbahn abreißen, weil sie dort die Schuld suchen. Selbst der Dorfdepp weiß: Die Seilbahn braucht er noch, weshalb reale Mobs zuverlässig lieber Hexen jagen oder jüdische Seilbahnbetreiber. Das einfache Loch-Bild ist so verführerisch, dass man leicht übersieht, wie schief es ist – Hübner (Jahrgang 1998) hat das wohl unterschätzt. Kann vorkommen, aber so tendiert die Parabel zum gutgemeinten Pamphlet. Da war deutlich mehr drin!

 

 



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Die Outtakes (15): schlecht alternde Schwänze, ein verstrahlter Vater und ein verpasster Urlaubstraum

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Illustration: Richard Corben - Splitter Verlag

Fantasy mit Schlenkerschwanz


Verdacht bestätigt: Richard Corben ohne Autor ist schwer erträglich. Dabei liegt vor mir das unbestrittene Meisterwerk des Kult-Zeichners aus den 70ern, nämlich „Den“, gerade erst neu aufgelegt. Ein schmächtiger Kerl fällt durch irgendein Dimensionstor und findet sich als nackter Muskelmann mit Schlenkerschwanz (vorn, nicht hinten) in einer seltsamen Welt wieder. Die Ungewissheit ist noch das Beste an der Story, und sobald dieses Rätsel gelöst ist, gibt’s nur noch Sätze, die so platt sind, dass jeder Pfannkuchen hochalpin wirkt. Optisch hingegen ist alles da, was das Fantasyherz begehrt, Nackte, Monster, Waffen, Gewalt, alles in abenteuerlich psychedelischen Farben. Kleiner Nachteil: die Nackedeis sind meist näher an Robert Crumb als an Neal Adams oder Frank Frazetta. Aber die Zahl von Corben-Fans ist Legion, und die können sich nicht alle irren, oder?

 

Rechts überholt

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Illustration: Ika Sperling - Reprodukt

Tja, „Der große Reset“ war Max-und-Moritz-Preis-Kandidat 2024. Und das Thema ist auch gut: Was tun, wenn Familienmitglieder in die Verschwörungsschwurbler-Ecke abdriften? In diesem Fall ist es Vati. Seine Frau und die arbeitslose Tochter sind in die Resignation abgetaucht, und die studierende Tochter auf Heimatbesuch wird erst wieder aufatmen, wenn sie abfährt. Ika Sperling bringt viele hübsche Ideen unter: Im Auto kullern Bierdosen in jeder Kurve von Seite zu Seite, Vater ist nur noch ein durchsichtiger Geist auf Abruf, und aus banalen Details wie dem Anlegen des Rucksacks holt sie eine hübsche kleine Ein-Frau-Choreografie. Das Hauptproblem ist, dass die Zeit Sperlings Ansatz überholt hat: „Der große Reset“ ähnelt dem, was Comics zu Themen wie „Depression“ oder „Autismus“ tun. Aber deren Probleme sind weniger bekannt, wohingegen fast jeder inzwischen einen kennt, der sich in die Idiotie verabschiedet hat. So bleibt eine Geschichte die gut lesbar und ansehnlich ist, aber letztlich den hilflosen Normalgebliebenen nicht wirklich weiter hilft.

 

Furchtbar weit und furchtbar ernst

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Illustration: Nicolas de Crécy - Reprodukt

Oh Mann, das ist schade, „Transit Visa“ klang so vielversprechend urlaubsreif: Zwei Jungs um die 20 fahren in den 80ern einen schrottreifen Citroen Visa quer durch Europa seinem Ende in der Türkei entgegen. Was mich sofort getriggert hat:

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TRANSIT 1979. Foto: Comicverfuehrer.com

Denn 1979 saß ich selber neben meiner Schwester hinten in einem Citroen DS, fuhr mit den Eltern quer durch die Türkei, die schon kurz hinter der Küste nichts mehr mit dem Touristengebiet zu tun hatte. Aber meine Nostalgie bedient Nicolas de Crécy leider kaum: Zeichnerisch könnte er es zwar, aber erzählerisch ist er zu beschäftigt damit, sich philosophisch in den Nabel zu schauen. Dazu kommt, dass weder Land noch Leute die Jungs damals interessierten und de Crécy daher schnell das Material ausgeht. Drei Bände hat er im Original gefüllt, zusammen sind das jetzt 400 Seiten, in denen er mit wenigen Ausnahmen praktisch jede hübsche Optik unter humorarmen Grübeleien begräbt. Aber: Für Liebhaber dauerrauchender Franzosen, die sich furchtbar ernst nehmen, ist das womöglich die passende Geschichte.

 

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