- 20. Aug. 2017
Ist Donald Trump mit Satire beizukommen? Zwei Comic-Bände nehmen den Kampf auf - das Resultat ist zwar unterhaltsam, doch leider auch ernüchternd

Gern wird ja darüber diskutiert, was Satire darf. Wesentlich sinnvoller könnte jedoch die Antwort auf die Frage sein, was Satire überhaupt kann, also: bewirken kann, und ob angesichts dessen die Diskussion über ihre Befugnisse überhaupt den Aufwand wert sind. Zum Beispiel: Trump.
Zwei Beispiele sind jetzt im Comic-Bereich auf dem Markt, beide auf ihre Weise renommiert, sie geben unterschiedliche Antworten, aber richtig Zuversicht können sie alle beide nicht verbreiten, leider.
Das erste Beispiel ist eine schöne Gelegenheit wieder mal bei einem alten Bekannten vorbeizugucken: MAD hat ein Trump-Special herausgegeben, inklusive Minicartoons am Seitenrand, „nur noch“-Preis und Faltblatt ganz hinten. Trump ist eine umfangreiche Aufgabe, und gerade für MAD eine harte Nuss.
MAD-Leser sind keine News-Junkies
MAD hat ein junges Publikum, die Standardzielscheiben sind neben Popstars und Konsumwelt vor allem Eltern und Lehrer, Politiker sind es allenfalls als Eltern-Lehrer-Verlängerung. Helmut Kohl etwa war in diesem Raster der alte Doofe, Strauß der alte Nazi und Schmidt der alte Spießer.
Da liegt denn auch die Haupthürde für MAD: Mehr aus Trump zu machen als 50 Seiten Donald-ist-doof – für Leser, bei denen man ein breites Wissen aus dem US-Politikbetrieb nicht voraussetzen kann. Das gelingt gelegentlich gut, wie auf drei Seiten Bibelzitate vs. Trumpzitate: Da entlarvt ein ziemlich anständiges altes Buch einen abgrundtief unanständigen Menschen. Oder wie Trump sämtliche vier Präsidentenköpfe des Mount Rushmore gegen vier Versionen seinen eigenen austauscht.
Peinlicher Rundumschlag
Meist geht’s allerdings in die Hose: Trump steht zwar als Rüpel da, der jedoch – was besonders kontraproduktiv ist – gerade dadurch Erfolg hat. Besonders ärgerlich: ein deutscher Beitrag, bei dem Medien, Trump, AfD, CSU und SPD letztlich alle gleich unzumutbar wirken. Genau dieser Anstrich der Normalität (und damit seriöser Wählbarkeit) würde Trump, AfD & Co. so passen.
Umgekehrt fehlen viele ergiebige Ansatzpunkte: Die kurzsichtige Gefälligkeitspolitik. Die rüssellangen Krawatten. Die Umweltpolitik, die zu Industrieprodukten führt, die international noch weniger gefragt sind. Die Idee, reaktionäre Trump-Wähler mit freiwerdenden Immigranten-Jobs zu beglücken: als Bulettenbrater (ächz), Erntehelfer (stöhn) und Tellerwäscher (kotz). Chance verpasst, könnte man sagen – wenn sicher wäre, ob es die Chance je gab. Denn das passiert auch den Polit-Profis.
Eine Präsident gewordene Dreckschleuder

Der zweite Satire-Band vom Splitter-Verlag, er heißt „Trump!“ Er beinhaltet sämtliche Strips, die der vielfach preisgekrönte Cartoonist Garry Trudeau in seiner Serie „Doonesbury“ über Donald Trump gezeichnet hat. Und das sind bestürzend viele.
„Doonesbury“ erscheint seit 1970 täglich in zahlreichen US-Tageszeitungen, auch in der Washington Post. Vier Panels, als fortlaufende Erzählung, mit einer aberwitzigen Vielzahl unterschiedlicher Charaktere. Das erste Mal taucht Trump im Strip des Pulitzer-Preisträgers 1987 auf. Und tatsächlich ist schon damals der komplette Irrsinn dieser Präsident gewordenen Dreckschleuder vorhanden.
Skandale sind sein Standard
Es beginnt mit Trumps Manie, Reichtum vorzuzeigen, was daran liegt, dass er „gut“ und „teuer“ gleichsetzt. Schon 1988 lässt Trump Wohnungen zwangsräumen, bedient sich schmierigster Charaktere, verachtet Menschen ohne Geld und Macht. Der Band lässt 30 Jahre Trump im Zeitraffer aufblitzen, seine Pleiten, seine vorgebliche Universität, seine schaufensterpuppenartigen Vorzeigefrauen vom Typ „vergoldeter Wasserhahn mit Brüsten“. Wer Doonesbury verfolgt hat, kann von dem Wahlkampfskandal unter vielen („Grab them by the pussy“) nicht überrascht gewesen sein, es ist alles da, wirklich alles.
Trudeau hat sein Bestes getan um Trump als das zu präsentieren, was er ist, inklusive des bizarren Konstrukts, mit dem er vollen Haarwuchs nachzuweisen versucht, weil ihm volles Haar wichtiger ist als die Fähigkeit zu einer Gesundheitsreform. Trudeau hat es versucht, indem er Trump zitierte und dabei wenig bis nicht übertrieb. Trumps winziger Wortschatz, die Wiederholungen von „sehr“, „großartig“, „unglaublich“, man mag es einfach nicht fassen, wie lange ausgerechnet dieser Körperklops und Mentalfladen schon Gegenspieler und ganz normale Menschen diskreditiert, indem er behauptet, sie würden schwitzen, stinken, wären krank oder zu dick.
Die Tweets enthüllen nichts

Geholfen hat es nicht. Cross-Cult wird Ende August sein Glück mit gesammelten Original-Tweets versuchen, tapfer angereichert um Cartoons, aber es gibt einfach nichts zu entdecken. Dieser Mann, der sich bei nüchterner Betrachtung zu nichts weiter eignet als zum Geteert-und-gefedert-werden, ist heute US-Präsident. Und er ist noch nicht mal das Hauptproblem: In den USA (und offenbar auch in Polen, Ungarn oder der Türkei) gibt es inzwischen eine mehrheitsfähige Wählerschaft für rücksichtsloses Gesindel.
Ob Satire dagegen die wirksamste Waffe ist, muss man angesichts der Bestandsaufnahme wohl anzweifeln. In letzter Zeit ertappe ich mich öfter beim Wunsch nach schlichten Signalen, sagen wir: Die Waltons haben Donald Trump zu Gast. Bis es Oma reicht: „Mr. Trump, bitte essen Sie jetzt auf und verlassen Sie unser Haus.“ Wer sich bis dahin über das Ausmaß der Katastrophe informieren möchte: beide Bände zeigen auf ihre Weise ein durchaus zutreffendes Bild davon.
MAD Trump Special, Panini Verlag, nur noch 3,99 Euro Garry Trudeau, Trump!, Splitter, 18,80 Euro Shannon Wheeler, Tump twittert, Cross-Cult, 15 Euro
Dieser Text erschien erstmals bei SPIEGEL Online.
- 18. Jan. 2017
Der Italiener Saverio Tenuta gibt mit „Die Maske des Fudo“ ein durchwachsenes Comeback – und macht gerade dadurch um so mehr Lust auf die Vergangenheit

Ich mag Rumsdibums-Comics. Es ist aber nicht leicht, gute zu finden, wenn man schon ein bisschen älter ist als, sagen wir: zwölf. Früher kam man noch mit einem „Buffalo Bill“ Heft klar, aber inzwischen reicht es nicht mehr, dass irgendwer irgendwem anderes nachreitet und dabei schießt. Es muss noch was dabei sein, eine besondere Zutat, so, wie man mit den Jahren plötzlich das Bittere am Bier nicht mehr verabscheut, sondern schätzt. Das kann die Optik sein, die Geschichte, ein Charakter, irgendwas. Deshalb habe ich mich auch so gefreut, dass es Neues von Saverio Tenuta gibt.
Tenuta hat mal einen Mittelalter-Japaner gefrühstückt
Tenuta, 47, ist Italiener und hat offenbar mal einen mittelalterlichen Japaner gefrühstückt, seither schreibt und zeichnet er das, was meine Frau als „so Samuraizeug“ bezeichnen würde. 2010 hat er vier Bände veröffentlicht, die mir extrem gut in Erinnerung geblieben sind. Ich habe mir also „Die Maske des Fudo“ (Splitter Verlag, 14,80 Euro) extra für einen ruhigen Vormittag aufgehoben, eine Tasse Milchkaffee eingeschenkt, aufs Sofa gesetzt, die Folie runtergezupft und dann eine ziemlich konventionelle Geschichte angeguckt, die man genauso gut auch hätte weglassen können.
Ich fand sogar die Zeichnungen nicht mal sonderlich sehenswert. Und dann denkt man sich: Naja, vielleicht haste dich ja getäuscht. Und geht zum Regal um die vier Bände „Die Legende der scharlachroten Wolken“ herauszuholen (alle beim Splitter Verlag erschienen und noch heute erhältlich). Und siehe da: man findet immer noch all das, was den Tenuta von 2010 auszeichnete und was ihm heute fehlt. Und das sind jede Menge Zutaten, die so besonders sind, dass ich auch gern darüber hinwegsehe, dass ich bis heute nicht richtig erklären kann, worum es in der Geschichte eigentlich geht. Weil ich es angesichts dieser Zutaten jedes Mal sofort wieder vergesse.
Ein Dorf bekämpft Schnee und Zauberwölfe
Ich weiß noch, dass die „scharlachroten Wolken“ zwei Schwerter sind. Und dass die Geschichte mit einem abgerissenen, herrenlosen Samurai beginnt, der in eine Dorfkneipe kommt, dort einem Puppenspiel zusieht und sofort in einen Kampf verwickelt wird. Aber schon auf Seite zehn würde man am liebsten zurückblättern, weil man Angst hat, man hätte vor lauter Schauen was verpasst.
Der stilisierte Einstieg mit dem Puppenspiel ist bereits eine schöne Fingerübung mit japanischen Formen, jedes Panel launig durchkomponiert, dann beenden Soldaten abrupt die Vorstellung und wollen die Puppenspielerin verhaften. Sie flieht nach draußen, und dieses Außen ist das, was mir mit am stärksten in Erinnerung geblieben ist: Eine tief vereiste, seit Jahren durchgefrorene Welt, das Dorf ist lähmend verschneit wie das in Kafkas „Schloss“, mühsam wehrt es sich gegen die erdrückenden Schneemassen und gegen riesige Zauberwölfe.
Flokati-Viecher mit blutigen Schnauzen
Auch das ist so eine gelungene Sache: Diese Wölfe sind strahlend weiß und schweben dank ihres an den Kuscheldrachen Fuchur erinnernden Flokatifells ständig in akuter Niedlichkeitsgefahr. Aber Tenuta bannt sie, indem er die Wölfe mühelos Menschen zerteilen lässt und ihre Schnauzen in Eingeweide taucht. Es sind solche geschickt gemachten Details, mit denen sich die „Scharlachroten Wolken“ immer wieder vom Fantasyfirlefanz abheben. Natürlich, „Samuraizeug“ hat immer mit Ehre zu tun und muss nobles Geschwafel liefern, aber wie viele Bösewichte gibt es, die dem Guten einen Arm abhacken, ein Auge ausreißen und sich beides anschließend selbst implantieren? Um mit drei Armen und drei Augen noch unbesiegbarer zu sein? Und das alles natürlich immer und ständig im ewigen Schnee, Tenuta liefert epische Zweikämpfe in klirrendem Weiß und eiskaltem Hellblau und blutigem Rot. Aber nicht nur das.
Abgetrennte Köpfe, neblige Landschaften
Ganzseitige Splashes mit mythischen nebligen Landschaften, aufbrausende rote Pinselmalereien, eindrucksvoll wehende Gewänder, dynamische Kampfszenen in wirbelnden Strudeln aus buntem Laub. Erbitterte Intrigen, zart-grausame Prinzessinnen auf Leichenbergen, abgetrennte Köpfe oder Hände segeln durchs Bild, aber stets ästhetisch durchkomponiert. Seine geschickt verteilten Actionsequenzen schnitt Tenuta 2010 schneller als jeder Meisterkoch und die Geschichte, also, ich hab schon wieder keine Ahnung mehr worum es geht. Ich glaub, der Samurai findet sein Glück oder so, aber das ist mir ehrlich gesagt auch schon wieder wurscht. Ich kann sie ja wieder von vorn lesen.
Die Wolken sind verpufft
Vier Jahre später hat Tenuta eine zweiteilige Folgeserie um seine Wölfe rausgebracht. Er hat nur die Geschichte verfasst, gezeichnet hat’s wer anderes, und ich hab da nicht reingeguckt, weil mir schon auf dem Cover zu viel vom üblichen Junges-Mädchen-reitet-auf-Zauberwolf-Mist mitschwappte. Jetzt, wo Tenuta wieder alleinverantwortlich ist, hab ich mich gefreut. Doch von all dem erstklassigen Qualitätsradau der „Scharlachroten Wolken“ ist nur noch solider Durchschnitt übrig. Schade.
Andererseits: Wenn Sie Tenuta noch nicht kannten, haben Sie natürlich noch die vier grandiosen Bände von 2010 vor sich.
Dieser Text erschien erstmals bei SPIEGEL Online.
