Fünf Mangas in fünf Minuten (III): Diesmal finden sich zwischen Monstern, Geistern und Kampfhähnen auch – ganz normale Leute

Der Gockel rockt
Eine Parodie, die mindestens reizvoll anfängt: Monster überfallen die Welt, und wer rettet uns? Ein Gockel! Das geht schön albern los, und die Monster sind außergewöhnlich zurechterfunden: Das erste ist hochhaushoch, mit drei Hälsen und drei gehörnten Köpfen und einer übergewichtigen Figur, aber im BH. Das zweite eine Spinne mit Fingern als Beinen, einem gehörnten Menschenkopf mit Seitenscheitel und einer Krawatte. Die Fights sind ausbaufähig, der Hahn kann nämlich nur schnell flitzen und laut krähen. Das ist auf Dauer ein bisschen sparsam, weshalb der Hahn bald ein Team bildet, und zwar mit einer Schildkröte. Naja. Aber die abgedrehte Monsterpalette verfolge ich gerne weiter.
Shu Sakuratani, Anemone Bauer (Üs.), Rooster Fighter, Altraverse, 10 Euro
„Hanako vom Mädchenklo“

Sorry, der Titel ist nicht von mir: Der Reim sagt, wo’s lang geht. „Mein Schulgeist Hanako“ ist ein Comedy-Romantik-Spuk. Nene ist unglücklich verliebt – und hat eine Sage gehört: Auf der Toilette der Schule gibt’s einen Geist, der hilft. Und tatsächlich, „Hanako vom Mädchenklo“ ist zur Stelle, aber aufgrund einiger Missgeschicke kriegt Nene die erstrebten Jungs nicht und muss Hanako ab sofort als Magd dienen. Das klingt so zurechtgekrampft wie „Seinfelds“ Butler-Plot, wird aber passend mit der Brechstange erzählt. Die Magd muss ab sofort täglich die Klos putzen (wieso eigentlich?), wird gelegentlich nassgespritzt und lernt, dass der Geist möglicherweise ihr wahrer Freund ist. Okay, ist für eine junge Zielgruppe. Die sollte dann aber (Klo putzen! Nassgespritzt! Haha!) wirklich noch nicht viel anderes gelesen haben.
Geschickt geködert

Mangas arbeiten häufig mit langen Handlungsbögen: Fans schwärmen dann von unglaublichen Wendungen ab Band 9 oder so. Auch „Jojo’s Bizarre Adventure“ gehört dazu. Aber: So weit muss man erstmal kommen. Deshalb begeistert mich „20th Century Boys“.
Die Story beginnt 1969: Vier Buben bauen sich ein Versteck, erfinden Geschichten und ein Symbol. 30 Jahre später treffen wir die Jungs wieder: Jetzt passieren seltsame Dinge, Menschen sterben auf mysteriöse Weise, und das Symbol taucht wieder auf – als Logo der bizarren Sekte eines Mannes, der sich „der Freund“ nennt.
Zwei Elemente machen die Story für mich sofort genießbar: Erstens die Enthüllungen und Querverweise, die's zwar nur in homöopathischen Mengen gibt, aber dafür von Anfang an. Und zweitens: die Charaktere, denen Naoki Urasawa ein richtiges Leben gibt, richtige Dialoge, richtig viel Platz und Zeit. Kenji, der unscheinbare Antiheld, trägt beispielsweise ständig ein Baby auf dem Rücken, das Kind seiner Schwester, die abgehauen ist. Er hat den Schnapsladen seines Vaters in einen Supermarkt umgewandelt und wird dafür von seiner Mutter ständig beschimpft. Und der Leiter der Supermarkt-Kette stellt ihn wegen Umsatzrückgangs vor die Wahl „Supermarkt oder Baby“. All das ergibt (auch emotional) starke Szenen, die elegant verzögern, aber doch immer wieder zur eigentlichen Story führen: denn man will ja wissen, was es mit der Sekte und den Morden auf sich hat.
Naoki Urasawa, Josef Shanel (Üs.), Matthias Wissnet (Üs.), 20th Century Boys, Panini, 19 Euro
Durch die Brust ins Auge

Erstaunlicher Anfang: In „Der Sommer, in dem Hikaru starb“ sitzen die Schulfreunde Hikaru und Yoshiki vor einem Kiosk und essen Eis. Bis Yoshiki Hikaru sagt, er könne unmöglich Hikaru sein. Woraufhin Hikaru das halbe Gesicht abfällt und er antwortet: „Ich dachte, ich hätte ihn perfekt kopiert...“
Gut, oder? Aber jetzt wird es schwierig.
Yoshiki und der falsche Hikaru bleiben Freunde, hängen miteinander ab. Es gibt Schwierigkeiten in der Schule, eine seltsame alte Frau warnt Yoshiki, und bizarre erotische Elemente kommen dazu: Yoshiki darf durch einen Schlitz in der Brust in Hikaru hineinfassen...
Oft schimpfe ich, dass Mangas vieles überdeutlich erklären: Bei „Der Sommer, in dem Hikaru starb“ schlägt das Pendel zu weit in die Gegenrichtung.
Denn Yoshiki stellt die allernaheliegendste Frage nicht: Was oder wer ist der Typ mit dem abnehmbaren Gesicht? Was so unverständlich ist, dass man dem Helden nur noch zweifelnd in die Geschichte folgt. Aus ungewissem Grusel wird Mystery mit der Brechstange, und die Story geht durch die Brust ins Auge.
Mokumokuren, Anemone Bauer (Üs.), Der Sommer, in dem Hikaru starb, Altraverse, 10 Euro
Pikapika allerseits

Jetzt wird's ganz schlimm, weshalb man es am besten seinen Kindern antut: „Pokémon Reisen“ ist derselbe Blödsinn wie Pokémon Irgendwas, nur noch liebloser erzählt. Dabei ist noch verständlich, dass Kinder Pikachu niedlich finden und seine Dialogzeilen („Pikachu“, „Pika“ oder „Pikapika“) süß. Die Hauptfigur heißt Ash, schreit im ersten Panel „Ich heiße Ash“ und falls man es DANN noch nicht begriffen hat, steht in einem Kasten drunter: „Hauptfigur Ash“. Satzbau? Szenenaufbau? Alles scheißwurscht, nimm 'ne Figur, kleb 'nen Kasten dran, geht auch! Geht das Abendland deshalb unter? Unmöglich: Kann man ja auf einen Zettel „Abendland“ schreiben und ihn irgendwo hin kleben. Na dann: Pikapika allerseits.
Machito Gomi, Gyo Araiwa (Üs.), Pokémon Reisen, panini manga, 7,99 Euro
... wird natürlich fortgesetzt
Sie wollen Ihren Senf dazugeben? Dann hier:
Härtetest für Kindercomics (10): An den „Witches of Brooklyn“ scheiden sich die Geister. Ich bin eher genervt, aber Julia (11) erwägt sogar einen Spitzenplatz

Hexen können prima sein: Penelope Bagieus rasante Bearbeitung von Roald Dahls „Hexen hexen“ fällt mir sofort ein, aber vielleicht ist das der Fehler. Denn im Vergleich damit fällt für mich „Witches of Brooklyn“ von Sophie Escabasse deutlich ab. Ich ertappe mich sogar bei dem Gedanken: „Wie kriegt man Hexen so langweilig hin? Und das in New York??“
Lieferando Kids
Bei zwei älteren Wunderheilerinnen in Brooklyn klingelt nachts um Eins ein Herr vom Adoptionsbüro und liefert Effie (11) ab, um die sich die zwei ab sofort kümmern sollen. Seltsam? Lieferando Kids? Aber so steht es eben geschrieben. Es wird recht viel gejammert und recht wenig gehext. Effie geht in die neue Schule und findet Freunde, und irgendwann stellt Effie fest, dass ihre Finger leuchten. Die Damen jubeln: Daran, so enthüllen sie, erkenne man, dass Effie eine Hexe ist wie die beiden selbst ja auch. Sie zeigen ihr sogar ein bisschen von ihrer eigenen Hexerei. Und was sagt Effie dazu? Sagt sie:
a) „Wahnsinn! Zeigt mir sofort die besten Tricks!“
oder
b) „Irre! Was kann ich damit machen? Einfach alles?“
oder
c) „Ich muss in die Schule! Heute ist unser Demokratie-Referat!“
In der Tat: Richtig ist Antwort c). Ab da hab ich die Hoffnung aufgegeben, dass da noch irgendwas Reizvolles rausgähnnnnnnnn. Aber als Kind hätte ich wohl weitergelesen, weil: Sprechblasen! Geht es Julia ähnlich?
Gerettetes Pop-Sternchen
Tatsächlich liest Julia weiter, aber ihr fällt es scheinbar überhaupt nicht schwer. Sie merkt zwar streng an, der Verlag können die Worte „Kräuterhei-lkundige“ und „untersch-reiben“ sorgfältiger trennen, aber das Abenteuer funktioniert für sie hervorragend. Dass die Hexen-Tanten dann ein superberühmtes Pop-Sternchen von seinem roten Gesicht erlösen und alles gut ausgeht, alles sehr süffig - man kann sagen: Julia ist so ziemlich rundum zufrieden. Sie hätte nur gerne gewusst, was ein „Au-pair“ ist.
Die beste Stelle: Wie Effie im Keller Francis, der verzauberten Ritterrüstung, begegnet und wie sie dann Tränke zusammenrühren. Spannend und lustig zugleich!
Die niedlichste Stelle: Gar nicht so niedlich, aber gut: Effie erweckt eine Schlange aus einem Bild zum Leben!
Sophie Escabasse, Diana Steinbrede (Üs.), Witches of Brooklyn, Egmont BÄNG! Comics, 22 Euro
Julias Entscheidung

Das hätte ich nie gedacht: „Alldine“ hat an der Spitze nichts zu befürchten, das „unsichtbare Raumschiff“ ist safe, aber schon „Zack!“ steht auf wackligen Füßen - es geht um Platz 3!
1. Alldine & die Weltraumpiraten
2. Das unsichtbare Raumschiff
3. Zack!
4. Witches of Brooklyn
5. Hugo & Hassan forever
6. Boris, Babette und lauter Skelette
7. Hände weg von unserem Wald!
8. Trip mit Tropf
9. Willkommen in Oddleigh
10. Karl der Kleine: Printenherz
11. Superglitzer