- 19. Juni
Ein herzlicher Glückwunsch – und eine Anmerkung zum Deutschen Sachbuchpreis für den Comic „Die Frau als Mensch“

Schön, dass der Comic Wertschätzung genießt: Ulli Lust hat den Deutschen Sachbuchpreis 2025 gewonnen, für ihren Band „Die Frau als Mensch“. Zweifellos ein Prestigegewinn für den deutschen Comic. Ich hätte ihn nur einem besseren Band gewünscht (beispielsweise 2023 dem hier). Ja, es stimmt: Ulli Lust hat einen ansehnlichen Bilderbogen der Ur- und Frühgeschichte gezeichnet. Aber das, was die Jury da bejubelt, interpretiert sie vor allem selbst hinein. Hier die Begründung:
„Die starke Frau als Mensch. In ihrem so kenntnisreichen wie fantasievollen Sachbuch zu den Anfängen der Menschheit zwischen Evolution und Kultur zeigt Ulli Lust, dass die Rolle von Frauen in der Menschheitsgeschichte weitgehend unsichtbar blieb. Der lange Zeit vorherrschende Blick auf den Menschen als Mann ist grundlegend revisionsbedürftig, und das zeigt dieses Buch anhand eines originellen Ineinandergreifens von wissenschaftlichen Erkenntnissen aus Archäologie, Anthropologie und Kunstgeschichte, immer wieder inspiriert von Alltagserfahrungen. Mit diesem vielschichtigen Zugang vermag Ulli Lust festgefahrene Vorstellungen aufzubrechen. Das gilt auch für das Genre des Sachbuchs, das durch die virtuose Verbindung von Bild und Wort auf das Schönste erweitert wird.“
Nimmt man den Band zu Hand, stellt man fest, dass Lust vor allem eine Menge Zeug und Gedanken anhäuft, inklusive Umweltschutz, Korruption, indigene Gesellschaften, Kraut, Rüben. Aber es wird wenig bis nichts analysiert oder gefolgert, es wird gemunkelt und vermutet, „was wer gefunden hat“ folgt auf „was wer mal gesagt hat“ auf „was ich mir mal gedacht hab“ auf „Guck mal, da!“ Wo das hinführen soll, steht nirgends, aber ja, Frauen kommen auch reichlich drin vor, dann wird's schon irgendwie stimmen.
Aufgebrochene Betonschädel
In einem hat die Jury allerdings recht: Es gelingt, festgefahrene Vorstellungen für das Genre des Sachbuchs aufzubrechen. Tatsächlich hielten bisher irgendwelche Betonschädel (oder auch die bisherigen Preisträger) eine schlüssige Argumentation für unverzichtbar. Das Konzept (und die Prämierung!) des munteren Mäanderns darf daher fraglos als innovativ gelten.