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Comicverfuehrer

Didier Conrad und Fabcaro schicken die Gallier nach Portugal – mit kaum Gags, dafür noch weniger Action und schon gar keiner Lust

Illustration: Didier Conrad/Fabcaro - Egmont
Illustration: Didier Conrad/Fabcaro - Egmont

Ob es stimmt, was in der „Süddeutschen“ steht? Für den neuen Band „Asterix in Lusitanien“ soll Zeichner Didier Conrad schon mal angefangen haben, bevor Texter Fabcaro sein Szenario liefert. Weil Conrad 15 Monate zum Zeichnen braucht, Fabcaro aber nur sechs zum Texten. Zeichner und Texter müssen also nicht zusammenarbeiten, sondern nur gleichzeitig fertig werden oder wie oder was? Sinn ergäbe das nicht, würde aber erklären, warum sich da zwei herzlich wenig für die Arbeit des Anderen interessieren. Und warum das Ergebnis genau so aussieht.


Verschickt wie ein Amazonpaket


Asterix und Obelix müssen also nach Lusitanien/Portugal. Warum? Weil ein „Lusitaner“ in Panel 4 auftaucht, in Bild 8-13 was von einem inhaftierten Freund erzählt und Majestix in Panel 15 Asterix und Obelix losschickt wie ein Amazonpaket. Da ist die zweite Seite noch nicht fertig. René Goscinny hat für sowas noch sechs Seiten (bei den Briten) gebraucht, oder zehn (bei den Schweizern), aber der wusste ja mit dem Platz auch noch was anzufangen. Etwa Figuren einzuführen wie Teefax oder den kleinen Pepe.

Illustration: Didier Conrad/Fabcaro - Egmont
Illustration: Didier Conrad/Fabcaro - Egmont

Aber dieser Ehrgeiz fehlt Fabcaro bei seinem Skript. Klar, nicht mal Conrad wartet ja drauf. Also flickt er was zusammen: Asterix wird den Unschuldigen befreien und dessen Unschuld beweisen. Indem er, kommt man nie drauf, ins Gefängnis geht und den Häftling einfach fragt, was der selber so meint. Aaaaber nicht sofort. Denn die Seiten und vor allem die Zeit bis dahin müssen erst noch gründlich totgeschlagen werden. Letzteres ist auch deshalb nötig, weil es noch nie zuvor in der Serie derartig wenig Schläge gab.


Ganz neu: Asterix ist jetzt gewaltarm


Es ist tatsächlich das erste Mal, dass man in einem „Asterix“ über Gewalt reden muss: nämlich über fehlende. „Asterix“-Prügeleien waren mal ein Fest des einfallsreich und perfekt choreographierten Slapstick. Diesmal wartet man bis Seite 25 (!), und nach einem einzigen (!!) Prügelpanel ist alles erledigt. Danach gibt’s nur noch eine Törtchenschlacht und das Finale, das auch nur in einem Bild Action nachweist. Aber gut, Conrads Prügeleien waren schon immer verzichtbar, vor allem, wenn man genug andere Gags hat. Bloß: Hat man die?

SZENE AUS DEM WERBEMATERIAL - NICHT IM BAND     Illustration: D.Conrad/Fabcaro - Egmont
SZENE AUS DEM WERBEMATERIAL - NICHT IM BAND Illustration: D.Conrad/Fabcaro - Egmont

Fabcaro versucht’s mit Aktualität. Mit der Rentenreform oder dem Internet. Das klappt mehr schlecht als recht, auch weil die Römer den Galliern keine Rente zahlten. Ein kleines Wunder ist, dass der Passwort-Gag ziemlich gut hinhaut. Aber häufiger noch werden alte Witze aufgewärmt: Die „Weine und Kohlen“ aus dem „Avernerschild“, das Marketingsprech aus „Obelix GmbH und Co. KG“. Nebenher wird Obelix zur goofyartigen Dumpfbacke, die plötzlich mit Fachwissen prahlt (seit wann denn das??) und keinen Fisch isst (was er im Spanienband noch tat). Chrrrrrr. Etwas Spannung wäre jetzt recht. Aber woher soll die kommen?


Der große Gegenspieler: machtnix

Erinnern Sie sich an Claudius Bockschus, der Asterix in Spanien unablässig Knüppel zwischen die Beine warf? Agrippus Virus, dem vor lauter Vergiften das Gift ausging? Den durchtriebenen Moralelastix? Aber was sind diese drei gegen den Verräter Karies, der – hm, wartet, bis man ihn halt im Hafen findet? Oder den Präfekten Fetterbonus, von dem man vor allem fürchten muss, dass er eine Trump-Parodie ist, weil er dann nämlich richtig, richtig scheiße getroffen wäre... Aber warum soll sich Fabcaro um besseres Schurkenmaterial bemühen, wenn der Zeichner gar nicht erst so tut, als hätte er Lust auf seinen Job? Man muss nicht einmal das Heft öffnen, um Didier Conrads Gleichgültigkeit zu sehen.


Perspektiven wie beim Schwindelanfall

Illustration: Didier Conrad/Fabcaro - Egmont
Illustration: Didier Conrad/Fabcaro - Egmont

Schon auf dem Cover fragt man sich: Wie flugzeugträgergroß muss eigentlich diese Galeere sein, damit sie da im Hintergrund weit entfernt im Wasser schweben kann, als läge sie im Hafen vor Anker? Diese vollwurstige Perspektive passt aber ideal zu dem gepflasterten Platz auf Seite zwölf, dem optischen Äquivalent zu einem gutartigen Lagerungsschwindel. Und so geht es weiter. Wie triefnass kam Asterix einst in der Schweiz aus dem See, mit welcher Ernsthaftigkeit wrang Obelix seine Hose aus? Nach dem An-Land-Schwimmen in Lusitanien kriegt Obelix ein paar unsinnige Krakel auf die Hose, der strohtrockene Asterix ist vermutlich geschwebt. Ist das kleinlich? Nein, es ist ein Unterschied, ob man eine Szene spielt oder einen Text aufsagt.


Festmahl mit Brötchen vom Vortag


Oder besser: runterleiert. Festmähler bei Asterix weckten einst Heißhungerattacken, bei Conrads Prunkorgie auf Seite 39 gibt es nur Teller mit zwei Sorten Klumpen, die eine beige, die andere braun. Sind’s Kartoffeln? Sind’s Brötchen vom Vortag? Und als Asterix nach langer Reise in Olisipo/Lissabon ankommt, dem „größten Hafen der römischen Welt“ – was hätte Uderzo daraus gemacht? Eine grandiose Draufsicht, mit einem waldartigen Mastengewirr, einer Vielfalt an Leben, feilschenden Händlern, einkaufenden Frauen, spielenden Kindern. Conrad liefert ein klägliches Stadtbild, einfachst gezeichnet, und in dem ärmlich gefüllten Hafen treibt, handgezählt, eine einzige größere Galeere. Ich würd's Ihnen gern im Bild zeigen, aber die Macher geben digitales Material nur mit größter Vorsicht raus. Wer Conrads Panels ansieht, ahnt sofort, warum.

Illustration: Didier Conrad/Fabcaro - Egmont
Illustration: Didier Conrad/Fabcaro - Egmont

Man könnte heulen, doppelt zumal, weil im (erzählerisch dürftigen) „Idefix“ Spin-Off mit Jean Bastide ein Zeichner zur Verfügung stünde, der nachweislich Lust hat, Uderzo das Wasser zu reichen. Aber so schaut man eben fassungslos zu, wie das Mienenspiel von Asterix mit jeder Seite an Varianten verliert, bis er zum Schluss seine halbgeschlossenen Augenlider überhaupt nicht mehr aufkriegt. Erst soll das noch Listigkeit andeuten, wo keine ist, dann Gutmütigkeit, Langeweile, vermutlich die von Conrad selber, weil er immer dasselbe Gesicht malen muss. Ich versteh' ihn gut: Mir ging's nach dem Zuklappen ähnlich.



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Joana Estrelas freches Teenie-Erwachen „Pardalita“ zaubert ganz, ganz viel Gefühl mit ganz, ganz wenig Mitteln


Illustration: Joana Estrela - limbion books
Illustration: Joana Estrela - limbion books

„Pardalita“ ist interessant – aber nicht nur, weil’s ein guter Comic ist. „Pardalita“ ist auch ein Zeitdokument, ein Modeprodukt und ein hübscher Ansatzpunkt, warum woke Produkte ein bisschen seltsam wirken können, wenn man sie aus einer beleidigten Blickrichtung betrachtet. Denn in „Pardalita“ entdeckt ein Mädchen seine lesbische Neigung, und da gibt es sicher mehr Leute, die auf Anhieb sagen: „Schon wieder?“


Nicht neu, aber gut


Klar, kommt mir auch bekannt vor. Nicht nur, weil ich grade mit großer Freude die Tamaki-Cousinen abarbeite, sondern auch wegen der Manga-Schiene, wo’s an neigungsmäßigen Spezialfällen nicht mangelt. Aber „schon wieder“ hat hier ja zwei Zielrichtungen, und eine davon kann man sofort ausschließen: Obwohl Joana Estrela das Rad nicht neu erfindet, ist „Pardalita“ eindeutig gut.

Illustration: Joana Estrela - limbion books
Illustration: Joana Estrela - limbion books

Estrela setzt auf eine Art Tagebuchform, immer wieder mit größeren Textabschnitten. Das kennt man von „Skim“, ja, dennoch wirkt Estrelas Heldin Raquel (16) wunderbar trotzig, eigenständig, bissig, ratlos. Das ist unterhaltsam, anrührend, liest sich leicht und hat doch jede Menge Vitamine und Ballaststoffe. Auch dank Estrelas herausforderndem Stil: Als hätte sie den ganzen Band mit einem einzigen dicken schwarzen Filzstift gezeichnet. Sie kann mit ihm zwar weniger aufdrücken – aber dennoch verlangt er ständig digitale Entscheidungen: Welche Kontur zeichnen, welche nicht? Estrelas Entscheidungen zu beobachten, ist dabei ein spannender Reiz für sich. Aber was ist mit dem anderen „schon wieder“?


Protestierende Leberwurst


Denn ja, „schon wieder“ ist ein Mädchen lesbisch oder so, erzählt wird also „schon wieder“ nicht der „Normalfall“, bzw. scheint in diesem Genre geradezu das Nonkonforme der Normalfall zu sein. Und die beleidigte Leberwurst in mir sagt: Das, was Raquel erlebt, die Unsicherheit, die Frage, wie man sich einem Mädchen nähert, wie man seine Zuneigung zeigt, das ist damals doch genau mein Problem gewesen.

Illustration: Joana Estrela - limbion books
Illustration: Joana Estrela - limbion books

Ich musste mich auch Mädchen offenbaren, was riskieren, und keiner hat einen Comic draus gemacht. Und: Mir fällt heute immer noch kein Comic ein, in dem ein Junge genau das erlebt, was Raquel erlebt. Wieso eigentlich nicht? Das kommt doch noch viel öfter vor! Was für ein verqueres Weltbild hat denn diese Comic-Szene??

Aber da schleicht sich natürlich ein Fehler ein.


Vier gute Gründe fürs woke Thema


Hier geht’s nicht ums Abbilden gesellschaftlicher (Mehrheits-)Verhältnisse. Hier geht’s um einen Markt. Erstens ist die Zielgruppe hier eindeutig weiblich. Zweitens ist die lesbische Variante erzählerisch die spannendere. Muss man nicht mögen, ist aber so. Drittens kriegt die Heterofrau die Transferleistung auf ihre eigene Situation vermutlich problemlos gebacken, bei „Boys Love“-Mangas klappt’s ja auch. Und zuletzt hätte ich als Junge damals einen Comic über meine Unsicherheiten weder lesen noch kaufen mögen. Es macht also überhaupt keinen Sinn, hier über lesbische Extrawürste zu klagen, wenn keiner die Heterowurst kauft. Im Kino gibt’s deshalb schließlich auch mehr Superhelden als Putzfrauen.

Und wenn man das kapiert hat, macht „Pardalita“ wieder sehr ungetrübten Spaß.





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