- 17. Apr.
Die Outtakes (27) : Diesmal mit sehr kleinen Kleinigkeiten, sehr großen Wassermengen und einem richtigen Haufen Müll

Quantenfiziert
Hübsch, aber nicht recht überzeugend: „Loops“ von Luca Pozzi und Elisa Macellari dreht das ganz große Ding: Was ist die Welt? Pozzi ist physikbegeisterter Künstler und versteht sich gut mit dem Quantenphysiker Carlo Rovelli, weshalb beide einen Comic zusammengezimmert haben, der einen leider kaum weiterbringt. Da helfen auch die schönen Illustrationen von Pozzis Frau Elisa nicht. Am stärksten ist der Band noch bei der Aufarbeitung antiker Theorien: Anaximander schließt aus der Beobachtung der Welt nicht auf ein Weltbild – sondern dass wir offenbar Teil eines Prozesses sind, den wir womöglich nicht mal begreifen können. Ist auch ohne Bild erklärbar, richtig? Rovelli hingegen zaubert eine Welt aus interagierenden Raumquanten („Loops“) aus dem Hut. Begründung? Fehlt, was blöd ist, weil man Loops (anders als Anaximanders Welt) nicht mehr beobachten kann. Sind sie bewiesen oder Theorie? Egal. Eine Reihe schöner, aber schiefer Bilder verwirrt nun mehr als sie erklärt, und hinterher klopfen sich alle Beteiligten die Schultern wund. Man hätte stutzig werden können/sollen, als der Künstler auf Seite 15 im Wald einem einzelnen Moskito mit der Sprühdose hinterhergiftet. Aber vielleicht sollte man das auch nicht so ernst nehmen: Wir sind ja alle nur Raumquanten.
BrrrrrroooooSCHHH

Das ist mal ein ganz starker Anfang: Bea Davies geht in „Supergau“ gleich richtig in die Vollen, ein Mann erlebt das Erdbeben samt Tsunami von Fukushima von einer Telefonzelle aus, inklusive anrollender Fluwelle, BrrrrrOOOOSCH! Und gleich darauf eine sagenhafte Traumsequenz, der Flugtraum einer jungen Frau über dem überfluteten Berlin, und dann ihr Blick unter die Wasseroberfläche, wo Dutzende Menschen treiben wie schlafend. Ab da wollte ich natürlich wissen, wie das weitergeht, wie Bea Davies da Berliner Schicksale mit Fukushima verknödelt. Und tatsächlich hält Davies das auch durch – aber leider nur optisch. Ja, sie entwickelt schöne Szenen, gute Dialoge, tolle Berlin-Eindrücke. Aber die Geschichten, die sie verquicken will, sind etwas fad. Vielleicht liegt’s aber nur am Gegensatz: Davies kann aus einer „Kaufland“-Fassade was Besonderes rauskitzeln, aus kleinen Beobachtungen wie einem Kind samt Eichhörnchen, und sie pickt aus der großen Katastrophe eindrücklich-gruselige Bilder in variantenreichem Schwarz-Weiß mutig weitgewinkelt. Vielleicht fällt eben deshalb auf, dass sie Schicksale und Schicksälchen ihrer Protagonisten nicht genauso großartig aufbereitet. Kann aber noch kommen.
Ab in die Tonne!

Unterhaltsam und dennoch Outtake, weil: „Trashed“ gibt’s nur auf englisch. Derf Backderf, der mit dem spannenden „Mein Freund Dahmer“ seine Schulzeit mit dem Serienkiller Jeffrey Dahmer beleuchtete, hat 2015 seine Erfahrungen als US-Müllmann verarbeitet. Wie man weiß: Eklige Stories sind oft auch spannende Stories, „Trashed“ fällt genau in diese Kategorie. Einerseits empörend, weil in den USA noch furchtbarer mit Müll umgegangen wird als bei uns, andererseits lässt Backderf mit berufsbedingtem Zynismus immer wieder Dampf ab. Wer sich an Backderfs Don-Martin-Stil nicht stört, dem steht ein erfrischendes Lesemissvergnügen bevor, aber, wie gesagt: eben nur auf Englisch.