Skurrile Kolonialismuskritik: „Zehntausend Elefanten“ schildert eine spanische Afrika-Expedition – mit großartiger Bildkunst aus Äquatorialguinea
Skeptisch gewesen. Weil: irgendwie so superlieb. „Zehntausend Elefanten“ heißt dieser Comic, er berichtet von Spaniern auf Expedition im spanisch besetzten Spanisch-Guinea Mitte der 40er Jahre, aber selbstverständlich tadellos aus guineischer Perspektive. Und das schmeckt alles so nach Dritte-Welt-Laden, dass ich mich fast selber frage, warum ich gealtertes Kinderschokoladen-Kind überhaupt reingucke. Antwort: Weil ich auf eine skurrile „Ach-diese-verrückten-Weißen“-Stories hoffte. Und tatsächlich liefert „Zehntausend Elefanten“ Skurriles – aber auch noch viel mehr.
Elefantenfriedhöfe und Löwenspielplätze
Die Geschichte erzählt die Erinnerungen des Guineers Ngono Mba, der 1944 das Foto- und Kamerateam des Filmemachers Manuel Hernández Sanjuán begleitet. Die machen sich, durch Gerüchte angefixt, auf die Suche nach einem Ort, „an dem zehntausend Elefanten“ wohnen. Die präzise Ortsbeschreibung: an einem See bei einem Wasserfall. Ist natürlich auch schon wieder so eine typische Kolonialgeschichte, Weiße, die nach Elefantenfriedhöfen suchen, Goldländern, Gazellengärten, Löwenspielplätzen, wasweißich. Und Ngono Mba kommt aus dem Staunen nicht mehr raus.
Ngono staunt über die Weißen, die Tiere schießen, aber nicht essen. Die beim Tanzen lachen, weil sie nicht wissen, wie ernst das Tanzen ist. Und die natürlich prompt die zehntausend Elefanten nicht mal dann finden, wenn sie sie sehen – weil es handgezählt dann doch keine zehntausend sind, sondern nur sehr viele.
Zu höflich für die Weißen?
Warum macht man eigentlich alles, was die Weißen sagen? Nun ja, weil sie eiserne Schiffe haben, die nicht sinken. Und weil sie weiß sind. Aber zugleich sieht Mba ja auch, wie ahnungslos die Weißen sind, dass sie ohne schwarze Hilfe keinen Schritt weit kämen, dass man eigentlich sogar auf die Einhaltung der örtlichen Gewohnheiten hätte pochen sollen, zumal diese Weißen ja nur eine Handvoll Leute sind und nicht ansatzweise die Mehrheit.
Aber man ist eben gastfreundlich und will höflich sein. Das liest sich süffig, aber ich weiß natürlich nicht, ob sich wirklich ganze Völker aus Höflichkeit verarschen lassen. Gewaltsame Unterdrückung ist diesmal jedenfalls nicht im Zentrum der Story. Und während man so blättert und nachdenkt ob das in Ordnung ist oder nicht, fällt auf: Das sind außerordentlich geile Bilder! In mehrfacher Hinsicht!
Geschichtete Striche
Nzé Esono Ebalé ist schon mal ein großartiger Strichler. Man merkt es erst kaum, aber schon das tiefschwarze Gesicht auf dem Cover ist komplett dunkelgekritzelt, in immer neuen Strich-Schichten um die Lichtpunkte herum. Seine Urwaldlandschaften und ganzseitigen Nachthimmel lösen sich auf in kleine, endlose Linien, zwischen denen er verführerisch seine Lichteffekte setzt. Seine Seitenaufteilung ist manchmal exotisch, manche Muster so farbenfroh, dass ich sofort denke: Ja klar, typisch Afrika! Dabei war ich noch nie da. Egal, Ebalés Kunst ist einfallsreich, attraktiv, überraschend. Seltsam ist nur die Sache mit der Story selbst.
Aus drei Brüdern werden zwei
Ausgegraben hat sie der Dokumentarfilmer Pere Ortín. Der ließ sie (obwohl selbst offenbar Journalist) lieber den guineischen Schriftsteller Juán Tomás Ávila Laurel vertexten. Eine namentliche Erwähnung auf dem Cover kriegt Laurel aber dafür dann seltsamerweise doch nicht. Im Nachwort feiert Ortín dafür groß und breit die „Verbrüderung“ eines Afrikaners (Ebalé) und eines Europäers (er selbst). Warum der andere Afrikaner, der dem Europäer den Text schrieb, bei der Verbrüderung nicht mehr vonnöten war? Keine Ahnung. Aber es illustriert womöglich kongenial die von Ortín beklagten „Auswirkungen der Kolonisation durch die Europäer – unter denen Afrika bis heute leidet.“
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