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Comicverfuehrer

5 Mangas in 5 Minuten (2.2): Mit 1 Versager, 1 Schwertschmied, 1 Recycling-Mädchen, 1 Mordserie und vielen komplizierten Karten

Illustration: Rifujin Na Magonote/Yuka Fujikawa - panini manga
Illustration: Rifujin Na Magonote/Yuka Fujikawa - panini manga

Dirty old man-Ga


„Mushoku Tensei“ klingt schon mal spannend: Ein dicker Versager, der nicht mal zur Beerdigung seiner Eltern aus dem Haus geht, wird von einem Laster überrollt. Wundersamer Weise kehrt er als Säugling ins Leben zurück, altert blitzartig ein paar Jahre und beschließt, diesmal alles anders zu machen! Tricky, denn warum wird man zum Versager? Was war dafür entscheidend? Und wenn Sie das wissen wollen, lesen Sie besser einen anderen Manga, denn unsere Lusche kommt in eine Zauberwelt, wo man entweder Schwertkämpfer oder Magier wird und die Sechsjährigen schon mal super zaubern können. Wenn sie nicht grade ihrer vollbusigen Mutter in den Ausschnitt starren und (tatsächlich!) anderen Sechsjährigen zwischen die Beine. Operation gelungen, Grundidee tot, fast so raffiniert erzählt wie Peter Steiners „Stanglwirt“. Welches Prädikat gibt man da? Vielleicht „Dirty Old Man-Ga“?



Chips aus der Schmiede

Illustration: Takeru Hokazono - Carlsen Manga
Illustration: Takeru Hokazono - Carlsen Manga

„Kagurabachi“ ist ein gedruckter Kartoffelchip: Fett, Zucker, Salz, Glutamat. Wir sind offenbar in einer Art Japan der 30er oder 40er. Chihiro ist Sohn des Waffenschmieds Rokuhiro, der die tollsten Schwerter weit und breit herstellt – und dann von drei Hexern umgebracht wird, die seine besonderen magischen Schwerter stehlen. Der Sohn macht sich mit dem besten Freund des Vaters (auch Hexer) auf zum Rachefeldzug. Und weil der Sohn super mit dem Schwert umgehen kann, gibt es die volle Blut- und Actionladung, die Magie sorgt dazu für einen großen Schuss Horror. Muss nicht schlecht sein, ja, allerdings stören arg platte Humor-Elemente jede aufkommende Stimmung. Vieles wird versuperdeutlicht, und die Handlung wird so liebevoll serviert wie – eben eine Tüte Kartoffelchips: aufreißen, in die Schüssel kippen. Jeder weiß: Sowas muss manchmal sein. Aber „was G’scheit’s“ isses nicht.

 

Geschwüre in Würfelform

Illustration: Haruo Iwamane - Egmont Manga
Illustration: Haruo Iwamane - Egmont Manga

Was ich angesichts vieler rasch runtergerotzer Mangas immer wieder vergesse: Mangas können große Bildwelten schaffen. Haruo Iwamunes „The Color Of The End“ gehört dazu. Eine gigantische postapokalyptische Welt, riesige Trümmerlandschaften, in denen ein technisch verbessertes einsames Mädchen die Reste der Katastrophe wegräumt. Aliens haben die Menschen infiziert und getötet, die Leichen liegen überall: Konserviert, aber mit bizarren Geschwüren in Würfelform. Das Mädchen sammelt die Toten, verbrennt sie, man wundert sich nur, für wen – weil: Ist ja sonst keiner da. Stattdessen begegnet sie den Resten der Vergangenheit, eine merkwürdig attraktive Mischung aus Grusel und Melancholie, erzählt mit sparsamem Text und ohne die übliche Manga-Holzhammer-Eindeutigkeit, in der jede Frage viermal gestellt, achtmal beantwortet und zwölfmal illustriert wird. Und siehe da: So geht’s also auch.

 


Charakter aus Sperrholz

Illustration: Cixin Liu/Jin Cai/Twilight Lu/Silver/XuDong Cai - Splitter Manga
Illustration: Cixin Liu/Jin Cai/Twilight Lu/Silver/XuDong Cai - Splitter Manga

„3 Body Problem“ ist also ein Manhua. Ein China-Manga. Über eine (Selbst-?)Mordserie unter Physikern. Und eine mysteriöse Organisation dahinter. Mehrere Probleme. Das kleinste: In Diktaturen ermittelt die Polizei nicht frei, thematisieren kann man’s aber nicht. Das macht jeden Krimi zum DDR-Polizeiruf. Das mittlere: Steif und flach – die Charaktere sind aus echtem Sperrholz. Das größte: die Brechstangendialoge. Wenn die „Spezialeinheit“ ankommt, sagt sie, sie sei die Spezialeinheit. Dann schreit jemand: „Die Spezialeinheit!“ Jedes Bauerntheater ist eleganter. Das bizarrste: Der abschließende „Was haben wir gelernt“-Teil. Wie kommt ein digitaler Countdown in eine alte analoge Kamera? Wie kannst du es dir erklären? Welche Ideen hast du noch? Fehlt bloß: „Diskutiere es in der Klasse!“

 


Karten-Crossover

Illustration: Katsura Ise/Takuma Yokota - panini manga
Illustration: Katsura Ise/Takuma Yokota - panini manga

Supernerd-Alarm: Hinter „Magic: The Gathering“ steckt die Liebesgeschichte, die sich zwischen zwei ewigen Rivalen entwickelt. Junge und Mädchen aus derselben Schule, sie ist Schulbeste, er ewiger Zweiter. Und nebenbei/hauptsächlich tragen sie ihre Rivalität mit dem Kartenspiel „Magic“ aus. Wer’s kennt, hat vielleicht seine Freude daran, wer nicht, der liest entweder Dutzende futzelkleine Erklärungen, wer gerade wen wodurch wievieler Lebenspunkte beraubt und welche Sonderregel grade gilt, weil der 3. Mai auf einen Mittwoch fällt oder was weiß ich. Man kann aber auch einfach weiterblättern und schauen, wie das Match ausgeht und ob sie sich schon küssen oder ob die anfangs schwurbelig angedeutete Weltuntergangsgeschichte noch mal wichtiger wird als die Kartenspielcrossover-Werbeveranstaltung. Wenn‘s einen interessiert.

 


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Die Outtakes (17): Kunst im Zeichen des chinesischen Tierkreises, Einblicke in ein Land so sfar away und eine Zukunft, in der man sich grün und blau schaut

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Illustration: Joann Sfar - avant-verlag

Durch den Rüssel ins Skizzenbuch


Dieser Joann Sfar ist ein Phänomen, das sich schier totzeichnet und dabei kaum Qualität verliert. Warum, kann man noch bis 1. September im Erlanger Stadtmuseum sehen: Sfar zeichnet so, wie andere Leute Tagebuch führen oder sich Notizen machen. Er verdaut seine Umwelt direkt über den Stift ins Skizzenbuch. Sein neuer Comic „Götzendiener“ findet dafür ein drastisches Bild: Sfar zeigt sich als Elefant, der über den Rüssel alles einsaugt und direkt wieder ausscheidet. Dabei assoziiert er, findet neue Perspektiven, produziert originelle Gags und Einblicke wie andere Leute CO2. Und trotzdem gehört der stark autobiographische Band zu den Outtakes. Warum? Es geht um seine Mutter, seine Therapie, seinen Werdegang, mutig verwoben, gewitzt erzählt, quirlig illustriert – aber dazu muss man sich eben für Sfar, für Comics, für Religion, Familie und Konflikte interessieren. Wer wenig Comics liest, hat mit anderen Sfar-Bänden schneller Freude und hat mit dem „Götzendiener“ später womöglich umso mehr Spaß.

 


„Alles gut!“

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Illustration: Jeremy Perrodeau - Edition Moderne

Eine andere Welt. Irgendwie asiatisch/südamerikanisch, sehr traditionell. In dieser abgeschiedenen Gegend stürzt ein Flugzeug aus dem „Kaiserreich“ ab. Für die Rückkehr muss der Pilot auf ein Schiff warten, in der Zwischenzeit, soll er im Dorf mitarbeiten. Tatsächlich ist der Pilot aber ein Forscher, der die Vergangenheit des naturnahen Volks ausspionieren möchte. So ansehnlich Jeremy Perrodeau die blaugrüne Geschichte durchgestylt hat, so verdruckst quält sie sich dahin: eine Art „Avatar“, aber ohne militärisch-ökonomisch getriebenen Bösewicht, was die Sache schon mal recht fad macht. Es bleibt neben ein paar sehr ansehnlichen Doppelseiten vor allem viel Geschwafel. Was auch daran liegt, dass Perrodeaus Fantasie erkennbar limitiert ist: Das mühsam ausgedachte, völlig fremdartige Völkchen gendert sehr vertraut mit unseren Sternchen und beruhigt Fremde mit „alles gut!“

 


Ich weiweiß nicht, was soll es bedeuten

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Illustration: Ai Weiwei/Elettra Stamboulis/Gianluca Constantini - Knesebeck Verlag

Ich würde mal sagen: Fancomic. Der chinesische Superkünstler Ai Weiwei legt mit „Zodiac“ (verfasst mit Szenaristin Elettra Stamboulis, nett/konventionell gezeichnet von Gianluca Constantini) ein solide halbsortiertes Durcheinander vor. Anhand des chinesischen Tierkreises hangelt er sich episodenhaft durch sein Leben, seine Kunst, sowie die Geschichte Chinas und seiner Familie. Insgesamt kann dadurch jeder, der sowieso Bescheid weiß, sagen: „Oh, schön, jetzt auch als Bild.“ Und Kunst darin wiedererkennen. Wer wenig bis nicht Bescheid weiß (wie ich), der kann all das vermuten und sich sagen: „Muss ich wahrscheinlich mal wo nachlesen.“ Letztlich: Ich war damals in seiner Ausstellung im Münchner Haus der Kunst, das war unterhaltsamer als mancher Katalog und, leider, auch als dieser Comic.

 




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