- 9. Nov.
Joe Sacco, Alt- und Großmeister des Comic-Journalismus, erklärt an einem indischen Glaubenskonflikt, wie Polit-Hetzer weltweit die Demokratie spalten

Man muss mit Joe Sacco politisch nicht übereinstimmen, aber rein handwerklich dürfte in seinem neuen Band „Indien“ jedem Reporter das Herz aufgehen. Weil Sacco immerhin weiß, wie Journalismus geht. Diesmal ist er in der Region Uttar Pradesh unterwegs, auf den Spuren der Unruhen im indischen Muzzafarnagar 2013, bei denen über 60 Menschen starben und Zehntausende Muslime vertrieben wurden.
Saccos Grundkurs Journalismus
Sacco hat das Land ein Jahr später besucht, und was hatte er dabei? Richtig: eine präzise Fragestellung. Sacco wollte nicht einfach mal schauen, wie's da so ist oder was da wer sagt oder wie sich wer fühlt. Er wollte auch nicht einfach mal dahininfluencen, was er so zu irgendwas meint. Oder wer gerade wen zerstört. Er wollte wissen, welche Narrative sich ein Jahr nach der Katastrophe bei den beteiligten Volksgruppen verfestigt hatten.

Ganz kurz: Worum geht's? In Uttar Pradesh leben nicht nur Hindus (hier in Form der Gruppe der Jats), sondern auch nach wie vor eine Menge Muslime. Den Jats gehört meist das Land, die Muslime sind in der Mehrheit besitzlose, aber dringend benötigte Feldarbeiter. Das Zusammenleben klappte recht lange akzeptabel und vor allem gewaltfrei. Die blutigen Unruhen von 2013 folgten aber auf eine lange Reihe wechselseitiger Provokationen.
Die Täter sind beim Beten, die Opfer gar nicht da
Ein Jahr nach dem Vorfall entdeckt Sacco vor allem eine Menge Lügen. Beide Seiten haben zur Gewalt beigetragen, und beide Seiten fühlen sich verfolgt und haben nie etwas Schlimmes gemacht. Als Jats auf dem Weg zu einer Versammlung in einem muslimischen Ort von den Dächern mit Ziegelsteinen beworfen werden, waren die Steine nicht da oder nur klein, geworfen haben allenfalls Frauen und Kinder und die Männer waren grad alle beim Beten in der Moschee.

Als die Jats später die Moslems vertreiben, waren laut Jats eigentlich sowieso keine Moslems da, wenn sie doch da waren, sind sie freiwillig gegangen, und wenn Jats beim Beschleunigen dieser Freiwilligkeit über die Stränge geschlagen haben sollten, dann waren diese Jats fremde Jats von irgendwo anders. Und die ganzen Moslems, die vom Staat Entschädigungen möchten, haben nie ein Haus verloren und sind alle Betrüger, die vorher selbst anderen die Häuser angezündet haben. Sacco hört zu, glaubt wenig, bestaunt von Moslems abgefackelte Häuser ohne Brandspuren und sucht dann mühsam Zeugen und Beweise für tatsächlich Geschehenes. Aber warum erscheint sein Comic jetzt, zehn Jahre später? Warum Indien?
Die Mechanik der Spaltung
Weil man als Westler weniger betroffen ist und daher unvoreingenommener hinsieht als bei sich selbst zuhause. Denn Sacco sieht dieselben Mechanismen überall auf der Welt. Den Versuch, eine Bevölkerung so gründlich zu spalten, dass man mit der eigenen, eingeschworenen Minderheit die Macht übernehmen kann. Demokratie ist zwar für Kompromisse gedacht, eignet sich aber auch fürs Lagerdenken. Man könnte etwa zwischen Hindus und Moslems einen Ausgleich suchen, aber das System belohnt auch und womöglich noch mehr, wenn man die Gegenseite zur tödlichen Bedrohung hochstilisiert. Allgegenwärtig etwa ist bei Sacco die Erzählung vom „Liebes-Dschihad“.

Dieser Legende zufolge wollen Muslime Frauen bekehren, schwängern, Kinder kriegen, um die Macht zu übernehmen: Was man sofort als örtliche Variante der „Bevölkerungsaustausch“-Panik erkennt, die weltweit Hassheizer von AfD bis Trump verbreiten (obwohl derlei bisher vor allem deren eigene Geistesverwandte von Milosevic bis Hitler planten und umsetzten).
Profit durch Unversöhnlichkeit
Sacco zeigt so, wie sie funktioniert, die Bewirtschaftung der Unversöhnlichkeit. Die in der Version für Fortgeschrittene den „Trick“ beinhaltet, der Gegenseite möglichst solche Stiche zu versetzen, die sie unmöglich verzeihen kann – was in Israel die Hamas in Reinform vorgeführt hat und danach die Rechtsausleger der israelischen Regierung formvollendet zurückliefern.

Tatsächlich lässt sich das aber in Indien „entspannter“ aufdröseln als in Palästina, nicht zuletzt für Sacco selbst, der vor einem halben Jahr der 36-Seiter „War On Gaza“ rausbrachte. Darin findet sich weniger Analyse und vor allem Fassungslosigkeit, mit einer – angesichts des israelischen Vorgehens zunehmend nachvollziehbaren – Schutzhaltung für Otto Normalpalästinenser.
Die Profiteure des Konflikts
Aber gerade weil Sacco da schon die indischen Erfahrungen im Kopf gehabt haben muss, wundert man sich, warum er im Gaza-Comic nicht die Erklärung findet: Dass der Konflikt davon lebt, dass auf beiden Seiten Leute vom Konflikt profitieren und den Frieden verhindern. Dass dort wie in Indien die Lösung im Unvorstellbaren liegt, eben im Verzeihen des Unverzeihlichen. Weil ihm – wie der englische Titel des neuen Comics beweist – klar ist, wie die Alternative aussieht: Der heißt nämlich nicht „India“, sondern „The once and future riot“. Weil ohne Verzeihung in jedem Aufruhr schon der nächste steckt.
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- 12. Juli 2020
Gewöhnung statt Empörung: bei andauernden Ungerechtigkeiten stumpft man irgendwann ab. Drei Graphic Novels entfachen jetzt die Wut neu – durch die Kinderperspektive
Geht es nur mir so oder wächst einem tatsächlich eine emotionale Hornhaut gegen den ganzen entsetzlichen Mist auf der Welt? Gegen den Nahostkonflikt etwa, oder gegen Donald Trump, oder die Autoindustrie? Ich frage deshalb, weil jetzt innerhalb weniger Tage gleich drei Graphic Novels bei mir durch solche Hornhäute gedrungen sind, und alle drei haben etwas gemeinsam: die Kinderperspektive.
Kanadas entsetzliches Internats-Programm

Nummer eins ist der neue Band von Joe Sacco, dem Comic-Journalisten: In „Wir gehören dem Land“ widmet er sich einer kanadischen First Nation, den Dene, die zwischen Rohstoffabbau, Industrie und eigener Tradition zerrieben werden. Sacco macht, was er immer tut: Er hört allen zu, lässt alle zu Wort kommen und verdichtet seine Recherche zu Bildern – allerdings ist ihm das diesmal ein wenig ausufernd geraten. Doch ein extrem starker Abschnitt schafft’s durch die Hornhaut: der über das kanadische Internatsprogramm. Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1996 zwang Kanada die Kinder der Ureinwohner in einer Art staatlichem Kidnapping in erzchristlich geführte Internate, verbot ihnen die eigene Sprache, damit sie tadellose Musterkanadier würden. Diese Kinder verlernten ihre antrainierten Fähigkeiten für das Leben in den Waldregionen, sie waren bei ihrer Rückkehr für ihre Familien keine vollwertigen Mitglieder mehr, sondern ungeschickte, stammelnde Tölpel, und vollwertige Kanadier waren sie am Ende natürlich auch nicht. Sie erlebten Gewalt, unterdrückten sich in den Internaten gegenseitig, und ein Großteil von ihnen war anschließend nur in einer Disziplin allseits anerkannt: Alkoholismus. Wenn man das liest, geht einem das Messer in der Tasche auf.
Aus der Hölle in die neue Heimat

Band zwei kümmert sich um ein Thema, zu dem man gerade in Deutschland leicht mal abstumpft: der Holocaust, verständlicherweise hierzulande besonders oft behandelt, leider auch meist besonders vorhersehbar. Auch „Bald sind wir wieder zu Hause“ erfindet das Rad nicht neu, folgt aber geschickt der Erkenntnis, dass weniger mehr sein kann: Auf unter 100 Seiten lassen Jessica Bab Bonde und Zeichner Peter Bergting sechs jüdische Zeitzeugen erzählen, die den Holocaust als Kinder erlebten und nach dem Krieg Zuflucht in Schweden fanden.
Die Texte sind knapp, nüchtern, sie schildern einfach nur die Beobachtungen der fassungslosen, schockbetäubten Kinder. Und plötzlich bekommen alle Mechanismen, die man schon zigmal gehört hat, wieder Bedeutung: Tolek aus Lodz muss mit seiner Familie ins Ghetto ziehen, sechs Menschen in drei Zimmern – das sind extrem verschärfte Corona-Bedingungen für immer, bei gleichzeitigem Essensentzug vor dem anschließenden Abtransport nach Auschwitz. Den illustriert Bergting auch mit dem Spalt in der hölzernen Waggonwand, durch den Tolek Frischluft bekommt.
Ähnliche Vorgänge, immer neue Erzählwege
Livia lebt in Rumänien, entdeckt per Radio die Welt so wie wir heute per Internet, und wird samt ihrer Stadt 1940 Ungarn zugeschlagen, wo der Holocaust besonders spät und dafür besonders gründlich einsetzt. Feinfühlig finden Bergting/Bonde für vergleichbare Vorgänge immer wieder neue Erzählwege, Text und Bild ergänzen sich geschickt. In Livias Geschichte zeigen sie beispielsweise die Selektion nicht, nur den Bahnhof, weil: „Alles geschah so schnell, als ich mich umdrehte, waren die Männer schon weg.“ Einer der Männer war Livias Vater. Ich habe, nicht nur berufsbedingt, einiges zum Thema gelesen, und ich habe reichlich Holocaust-Hornhaut, aber mehr als zwei Kapitel am Tag habe ich nicht geschafft. Der Band wendet sich übrigens gezielt an junge Leser, es gibt ein Glossar hinten, eine Landkarte mit den Orten der Handlung – dennoch wird hier weder für Kinder entschärft noch vereinfacht.
Empörende Gleichgültigkeit

Dazu passt: Esther Shakines „Exodus“, ein knapp 50seitiger Band, der Shakines Schicksal als Geschichte der kleinen Ticka erzählt. Auch Shakine schildert extrem zurückhaltend, was die Wirkung verstärkt. Tickas Eltern etwa verstecken ihr Kind im Schrank, und als Ticka sich wieder herauswagt, sind die Eltern nicht mehr da (und werden auch nie wieder auftauchen). Die Nachbarn schauen unterdes durch den Türspion und öffnen dem klingelnden Mädchen nicht, die Wohnung wird sich schnell jemand unter den Nagel reißen. Kein Einzelfall, auch im Bergting/Bonde-Band sind immer wieder Episoden, wie Mitbürger die Verfolgung für den eigenen Vorteil nutzen, und all das macht endlich mal wieder so wütend, wie es eigentlich ständig nötig wäre.
Bevor jetzt aber die nächsten 20 Bücher auf die Kinderperspektive setzen: Man wird sich auch wieder was Neues einfallen lassen müssen. Sie wissen schon, wegen der emotionalen Hornhaut.
Dieser Text erschien erstmals bei SPIEGEL Online.
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- 15. Dez. 2016
Der Journalismus steht in der Kritik, der Comic-Band „Im Schatten des Krieges“ möchte ihn besser erklären – und wird dafür gefeiert. Warum eigentlich?

Der „Deutschlandfunk“ lobt Sarah Gliddens „Im Schatten des Krieges“, Radio Bremen bestaunt seine „Tiefe“, der „Tagesspiegel“ ernennt den Band zum fünftbesten Comic des Jahres 2016, das macht neugierig. Kommt da womöglich ein gutes Produkt zum noch besseren Zeitpunkt? Es klingt jedenfalls so: „Im Schatten des Krieges“ verspricht Reportagen aus Syrien, dem Irak und der Türkei, also von drei aktuellen Brennpunkten. Auch löblich: Glidden will zudem Funktion und Probleme von Journalismus erklären, der ja selten erklärungsbedürftiger war als heute. Und wer jetzt fürchtet, das könnte etwas zuviel für einen einzigen Comic sein, den beruhigt der Verlag: „Sarah Glidden ist nach Joe Sacco die wichtigste Comic-Journalistin Amerikas.“ Was kann da noch schief gehen?
Alles.
Zeichnen, was den Kameras entgeht
Was nicht am Comic-Journalismus liegt, den gibt es nämlich tatsächlich: Ein Comic-Journalist recherchiert wie jeder Reporter, hat aber beim Bebildern Vorteile. Er kann aus seinen Eindrücken eine eigene Optik frei konstruieren. Im Idealfall lassen sich so Zusammenhänge besser darstellen, was der erwähnte Joe Sacco nicht nur erfunden hat, sondern auch so perfektioniert, dass selbst sehr gute konventionelle Journalisten kaum mithalten können. Aber wer sich nur einen Sacco ansieht, etwa „Reportagen“ (2013), der ahnt rasch, dass Sarah Glidden wohl gar keine Comic-Journalistin ist. Sondern eher ein Hascherl.
Oder wie sonst nennt man eine 36 Jahre alte Frau, die zwar in Krisengebieten unterwegs ist, aber dort im Museum angesichts einer Kanone Fragen stellt wie: „Und damit beschießt man Gebäude?“ Die dem Leser auch die Erklärung nicht vorenthält, mit der sie sich zufrieden gibt: „Gibt einfach einen Riesenknall, wenn die Granate irgendwo einschlägt.“ Ist das noch Recherche oder schon Tinky-Winky – Bumm? Und auf dem Niveau geht’s munter weiter.
Reporterin staunt über Reporter
Glidden zeichnet sich, wie sie eine Gruppe Journalisten auf deren zweimonatiger Nahostreise begleitet. Das heißt, sie zeichnet wie die Reporter schwallen und sie selber mit offenem Mund daneben sitzt. Wie sie „Wow“ sagt, wie sie staunt, dass ein Kameramann den Begriff „B-Roll“ benutzt. Oder dass Reporter darüber nachdenken, wie man eine Geschichte aufbaut. Letzteres leuchtet allerdings ein, denn Glidden selbst weiß für ihre Story nichts Besseres als: chronologisch der Reihe nach.
Das Ergebnis sind erst mal 40 Seiten darüber, woher sich alle kennen und was sie vorher gemacht haben, wie sie im Zug sitzen und sich gegenseitig interviewen, was sich dann liest wie eine unvorstellbar fade Folge von „Friends“. Und spätestens wenn Glidden uns zeigt, wie sie aufgenommene Interviews in ihren Laptop tippt, unter der Denkblase: „Mühsames Geschäft, aber hey, das ist Journalismus!“, da feuert man den Band zum ersten Mal quer durchs Zimmer.
"Aber hey, das ist Journalismus!"

Es hätte geholfen, sich vorher Gedanken zu machen: Welcher Journalismus ist denn überhaupt erklärungsbedürftig, wem misstrauen denn die Leser? Dem Blogger nebenan? Doch eher den Zeitungen, TV-Nachrichten, Magazinen wie dem „Stern“ oder Internet-Medien wie „Spiegel Online“. Aber Sarah Glidden begleitet lieber einige sehr freiberufliche Reporter, die politisch korrekte Sachen schreiben wollen, die vielleicht auch mal keiner kauft. Wer das mit Profi-Journalismus unter Marktbedingungen in einen Topf schmeißt, der hält auch einen Würfel für so was wie einen Taschenrechner.
Nun ja, dafür darf man dann immerhin lesen, wie diese rasend machenden Reporter dauernd an sich selbst zweifeln: „Ich versuche rauszufinden, was für eine Journalistin ich wirklich bin.“ Oder an ihrer Arbeit: „Was will ich eigentlich hier mit diesem komischen Projekt im kompliziertesten Teil der Welt?“ Und der Kollege heult mit: „Geht mir genauso!“
Dümmstmögliche Story-Auswahl
Erschwerend kommt hinzu, dass sich Glidden von allen Reportagen ihrer Protagonisten auf die dümmstmögliche konzentriert. Die geht so: Ein Iraki flieht in die USA, lebt dort fünf Jahre, gerät im Zuge der 9/11-Ermittlungen ins Fadenkreuz der Behörden und muss das Land verlassen. Die Story ist deshalb so ungeeignet, weil sich die Fakten kaum klären lassen: Vielleicht lügt der Iraki, vielleicht al-Qaida, vielleicht der Staat, und für jede Facette gäbe es bessere, eindeutigere Beispiele. Man könnte also so höchstens zeigen, wie man sich Journalismus erschwert. Glidden lässt aber ihre Reporterin sagen: „Ich finde einfach seine Geschichte interessant, mit allen Ungereimtheiten. Ich denke, wir können zeigen, dass das anständige Leute sind.“ Genau: Journalismus ist, wenn man sich Anstand aus Ungereimtheiten zusammenreimt. Frau Glidden sitzt daneben und nickt und huiii – wieder schmeißt man das Buch durchs Zimmer.
Doch uns bleibt immer noch die Optik, oder? Joe Sacco, den Glidden als Vorbild nennt, zeichnet so akkurat, dass oft das Hinsehen wehtut. Sacco interviewt Folteropfer und zeichnet ihre Narben. Er zeichnet die Häuser von Palästinensern, die Einrichtung, die Wände, und hinterher weiß man wie armselig Menschen leben können. Welcher Soldat hat welches Gewehr, wie sieht der Stacheldraht aus, durch den sich ein Flüchtling zwängt – Sacco war dort und lässt es seine Leser sehen. Glidden hingegen malt schön.
Die Bilder: lieber schön als authentisch
Auf dem Cover interviewt eine Journalistin einen Mann auf einem Hausdach. Man sieht dahinter die irakische Stadt Sulaimanyya, Häuser in warmen Farben, sauber verputzt, bunt, adrett. Wer nur Google Maps zur Hilfe nimmt, ahnt, dass in Sulaimanyya derselbe orientalische Kabelsalat von Haus zu Haus führt wie anderswo, dass die Dächer auch hier vollgestopft sind mit Wasserbehältern, Satellitenschüsseln und Klimaanlagen. Und sind (in einer anderen Episode) die Wände im iranischen Evin-Gefängnis wirklich unten grün, oben weiß gestrichen wie es Frau Glidden von US-Knästen kennt?
Klar, es geht auch ohne Fotorealismus. Der Kanadier Guy Delisle karikiert seit Jahren sein Leben in Städten wie Jerusalem, Pyöngjang oder Shenzhen. Aber gerade angesichts von Delisles Sinn für Situation und Pointen staunt man über die Zuverlässigkeit, mit der Glidden jedes interessante Detail vermeidet und mit unerschütterlicher Trutschigkeit aus jeder langweiligen Episode eine sterbenslangweilige macht.
Meine Empfehlung: Wer was über Journalismus wissen will, guckt „Schlagzeilen“ von Ron Howard. Wer guten Comic-Journalismus sucht, bestellt was von Joe Sacco (Edition Moderne, Fehlgriffe ausgeschlossen) oder von Guy Delisle (Erziehungswitzbücher weglassen). Fürs Fremdschämen greife man zu Sarah Glidden.
Sarah Glidden, Im Schatten des Krieges, Reprodukt, 29 Euro.
Joe Sacco, Reportagen, Edition Moderne, 28 Euro
Guy Delisle, Aufzeichnungen aus Jerusalem, Reprodukt, 29 Euro
Dieser Text erschien erstmals bei SPIEGEL Online.
