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Aufwind mit Gag-Mogelei

Auch wenn der neue Asterix „Die Weiße Iris“ meilenweit hinter den Klassikern bleibt: Der neue Texter Fabcaro setzt den schwachen Aufwärtstrend immerhin fort

Illustration: Didier Conrad/Fabcaro - Egmont

Schauen Sie mal, wie gut der neue Asterix vom alten Zeichner Didier Conrad und neuen Texter Fabcaro sein könnte: Die vier Panels da oben, das ist erstaunlich nahe am Original. Der Gag ist gut aufgebaut, die Gestaltung sorgfältig. Und eine dramaturgische Funktion hat er auch: Asterix, der nur in Ruhe mit Obelix essen will, fühlt sich bedrängt und ist allmählich bereit, zu reagieren. Das ist so dicht an „Asterix als Legionär“, wo sich der kleine Held erst bereitwillig durch die römische Bürokratie fragt und dabei immer genervter wird. Nicht neu erfunden, aber sehr gut variiert. Das Erstaunliche: Dieser Gag, der so viel Asterix classic verströmt wie lange nicht, kommt im neuen Band „Die Weiße Iris“ überhaupt nicht vor.


Mehr Lacher als in 5 Bänden zuvor: einer


Und das, obwohl ihn viele Zeitungen als Beispiel zeigen (soviel zur Recherche). Den Gag gab es laut Verlag extra nur als Teaser. Als Appetithäppchen. Das in der Geschichte komplett fehlt (obwohl die den Gag dringend brauchen könnte). Seltsam? Unlauter? Kann man so sehen, es zeigt aber, dass die Macher wenigstens theoretisch wissen, worum es geht. Die Frage ist: Haben sie’s diesmal auch umgesetzt? Tatsächlich habe ich im neuen Band „Die Weiße Iris“ mehr gelacht als in allen fünf Bänden vorher zusammen. Zwar auch nur einmal, da aber kräftig. Immerhin.

Illustration: Didier Conrad/Fabcaro - Egmont

Denn: Vieles ist weniger schlimm als vorher. Conrad kann zwar (außer im Teaser!) nach wie vor kein Wildschwein zeichnen, das halbwegs lecker gebraten aussieht. Aber irgendwie muss der neue Kollege seinen Ehrgeiz geweckt haben. Auf den Panels passiert jetzt gelegentlich nicht nur was im Vordergrund, mitunter ist nun sogar auch der Hintergrund ausgearbeitet, mal mit Gegend, mal mit Möbeln, mal macht dort sogar ein Legionär was. Action ist zwar noch immer nicht sein Ding, und in der Paradedisziplin „Prügelei mit Römern“ absolviert er auch den sechsten Band ohne eine nennenswerte eigene Idee, aber wenigstens kopiert er jetzt besser. Die größten Fortschritte finden sich hingegen in der Geschichte.


Rückkehr zu einem Plot, einem Gegenspieler


Es gibt wieder einen einzigen tragenden Plot, einen (leidlichen) Gegenspieler, ein halbwegs aktuelles Thema: Visusversus heißt der Mann, dem Asterix auf dem Cover völlig sinnfrei zuzwinkert. Er verspricht Cäsar, die unmotivierten Legionäre durch Positives Denken auf Vordermann zu bringen. Was zwar schon ein sehr alter Hut ist, aber Fabcaro wirft das einfach mit dem aktuellen Trend in einen Topf, Dicke nicht mehr dick und Dumme nicht mehr dumm zu nennen.

Illustration: Didier Conrad/Fabcaro - Egmont

Sicher, das resultiert sehr oft in sowas wie „Männer um die 50 beömmeln sich darüber, was die junge Leute heute so machen“, funktioniert aber hin und wieder brauchbar, und einmal sogar exzellent: bei Gutemine, der Frau des Häuptlings Majestix. Sie ist um die 50, im frühherbstlichen Spätsommer des Lebens, wollte schon in Band 18 was Besseres werden, und hat einen Mann, der so sensibel und romantisch ist wie eine Dose Bierschinken.


Charakterrolle für Gutemine


Nun ist Gutemine kein Legionär, aber aus mühsam zurechtgewürgten Gründen hat der Schurke beschlossen, sein Positives Denken auch bei den Galliern anzuwenden. So wird also Gutemine klangvoll beschwatzt und daraus entsteht eine richtig gute Rolle für eine gern unterschätzte Serienfigur aus der zweiten Reihe. Weniger nachvollziehbar ist, dass auch die anderen Gallier für das Geseier empfänglich sind. Denn vernachlässigt und geringgeschätzt wie Visusversus' Standardkunden fühlen sich Leute selten, die jederzeit auf ein paar Römer einschlagen und/oder auch herabsehen können. Um also mit Hildegard Knef zu sprechen: Von nun an ging’s bergab.

Illustration: Didier Conrad/Fabcaro - Egmont

Die Gallier beginnen zu flechten, sie meditieren, joggen, sie machen all das, was Fabcaro und Conrad schon seit den späten 80ern doof finden. Und damit’s jeder mitbekommt, vermisst die Identifikationsfigur Asterix auf einmal die gallische Kruppstahlhärte wie ein altgedienter NS-Gauleiter: „Unsere Freunde scheinen zu verweichlichen.“ Man wolle „unsere Wachsamkeit untergraben, um uns verwundbar gegen Angriffe der Römer zu machen“. Doppelt widersinnig, weil Visusversus‘ Sprüche die Römer überhaupt nicht verweichlichen, sondern in schmerzerduldende, kampfeslustige Prügelknaben verwandeln. Aber egal, ab hier hat Fabcaro an diesem Plot ohnehin kaum noch Interesse, Visusversus lässt Theorie Theorie sein, lockt/entführt Gutemine nach Lutetia und der Rest ist Verfolgungsjagd bis zum bitteren Festmahl mit gefesseltem Barden.


Asterix vermisst den Kruppstahl


Allerdings ist seit diesem Band fraglich, wozu der Barde überhaupt noch geknebelt wird: die „verweichlichten“ Gallier finden seine Musik nämlich akzeptabel. Was alle bis heute je gemachten Troubadixwitze in die Tonne tritt. Denn die funktionieren nur unter der Vorgabe, dass seine Musik unerträglich ist, und zwar für jeden Menschen mit Ohren (außer Grautvornix).

Und dennoch: Obwohl Lust- und Gedankenlosigkeit bei Conrad nach wie vor dazugehören, obwohl er es schafft, 36 entspannte Pferde in absolut identischer Pose und Frisur runterzuklopfen (Seite 32), und obwohl er den Zaubertrank gluckernden Asterix erstmals aussehen lässt wie eine freischwebend trinkende Marienerscheinung (Seite 26) – dieser Asterix ist tatsächlich einen zarten Hauch besser als die fünf zuvor.

Oder wie es Herr Habeck sagen würde: Die Talsohle ist durchschritten.



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