Schwule Erotik für junge Frauen: Das ist das Erfolgsrezept der "Boys Love"-Comics. Neben viel Dutzendware bietet diese Porno-Spielart aus Japan inzwischen einige richtig gute Geschichten.
Machen wir’s kurz: Männer können jetzt sofort das Lesen einstellen. Das hier ist nur für Frauen. Gut, es geht um Sex und Pornos, aber eben nicht für die Jungs, also bis nächstes Mal, okay? Nicht böse sein.
Träume für Elsa Normalverbraucherin
So, und wo wir jetzt unter uns sind: Kennen Sie "BL"? Interessantes Zeug, gefällt sicher nicht jeder, aber trotzdem: könnte was für Sie sein. Auch wenn der Titel eigentlich was anderes behauptet, der bedeutet nämlich "Boys Love". Dahinter steckt Sex in unterschiedlichen Härtegraden, aber immer unter Jungs. Gemacht wird das Ganze jedoch – für Frauen. Damit wir uns richtig verstehen: Für Frauen wie Sie und Sie und Sie, sozusagen für Elsa Normalverbraucherin. Sie können es selbst prüfen: Der Carlsen-Verlag, beileibe keine verruchte Fickfabrik, wirft im nächsten Programm knapp zehn Titel auf den Markt. Die Manga-Spezialisten Tokyopop und Egmont sind mit etwa derselben Menge am Start, Cross Cult steigt ein, BL ist inzwischen so gängig wie Bioquark: gibt’s nicht überall, aber man muss auch nicht extra zu Basic. Und entsprechend professionell ist das Produkt inzwischen standardisiert.
Sanfter Einstieg

Zuerst: Es wird nicht munter vom Start weg losgepoppt. Es passiert auch praktisch nie, dass sich da zwei lässige schwule Jungs finden und ab geht's. Das Grundmuster ist eher so: Ein schüchterner Typ kommt in ein neues Umfeld und trifft dort einen meist selbstbewussteren Typ. Dieses Treffen und Kennenlernen zieht sich dann hin. Mindestens einer ist immer am Zweifeln. Ob er nun überhaupt selber schwul ist, oder der andere, soll man überhaupt schwul sein, und wenn, dann mit dem? Gern gibt’s Rückblenden, wie wer mal was Verstörendes erlebt hat. Halt, nicht einschlafen, ich geb mal ein Beispiel: "Doukyusei".
Bub 1 (Streber) kommt an eine neue Schule und lernt dort Bub 2 (spielt in einer wilden Band) kennen. Alles nicht neu, aber hier steckt die Kunst: Asumiko Nakamura inszeniert Blicke, zufällige Berührungen bewundernswert. Das wirkt frisch, obwohl alle Zutaten bekannt sind. Man muss das richtige Detail nehmen, mal betonen, mal nur andeuten, dann die Zeit dehnen. Macht man es falsch, ist’s öd. Macht man’s gut, schmeckt das nach "erster Liebe".
Wenn weniger mehr ist

"Ten Count" von Rihito Takarai ist noch dezenter: Ein Typ mit Schmutzphobie trifft einen Therapeuten, der sich gaaanz sanft seiner annimmt. Takarai dehnt dieses Nichts von Handlung derart, dass im ersten Band nicht mal geknutscht wird. So wie staubtrockener Sekt, da meint ja auch mancher: "Schmeckt nach gar nix." Und bevor Sie denken, das ist alles Schmusefutz: Keri Kusabi liefert mit "Unser unstillbares Verlangen" eine Story aus dem Omegaversum. Eine frauenlose Fantasiewelt, die Männer in attraktive Alphas, durchschnittliche Betas und gebärfähige Omegas aufteilt, die unwiderstehliche Sexmaschinen werden, wenn sie ihre Tage haben. Da geht’s dann hart in der Gruppe zur Sache, und Kusabi hält mit dem Zeichenstift voll drauf!
Doch auch im Omegaversum hadern die Protagonisten mit ihrer Rolle. Als wären noch entscheidender als Sex die Hindernisse auf dem Weg dorthin. Hier wurzelt offenbar der Erfolg des Genres. Danny Achilles vom Hamburger Verlag Tokyopop erklärt: "Leserinnen scheinen im Zusammenspiel zweier Männer eine Art Verfremdungseffekt zu genießen: Den schönen Helden gibt es im Doppelpack, und außerdem taucht keine weibliche Protagonistin auf, mit der man sich automatisch identifiziert."
Brokeback Mountain macht's vor
Verfremdungseffekt ist das Zauberwort: nicht "zwei Kerle", sondern "keine Frau". So kann die Leserin frei wählen, welchem Part des Paares sie folgt – dem selbstbewussteren, dem anlehnungsbedürftigeren. Es gibt keine weibliche Konkurrenz, nicht optisch, nicht körperlich, und schon gar nicht sexuell: Hier dienen Jungs als erotische Vorkoster, da lässt sich unbelastet reinschnuppern. Und noch einen Anknüpfungsaspekt gibt es: Wie im Ringen von Ennis und Jack um- und miteinander in "Brokeback Mountain" kann die Leserin in den lust- und leidgeprüften BL-Amouren eigene Beziehungskomplikationen wiedererkennen. Man kann dann sogar einen Mann weglassen, so lange man keine Frau reinpackt: Bei Carlsen sieht Lektorin Britta Hellwig einen Trend ins Übernatürliche – Boy schmust mit Dämon.
Die wollen nur schmusen

Keine Angst, verkopft wird das alles nicht. Dem Erfolg hilft, dass die Autoren nicht nur beim Sex bedenkenlos vorgehen: Üblich ist ein Briefchen als Vor- oder Nachwort, in dem man sagt, wie lieb man alle Leser hat und dass sie bitte die Story auch liebhaben sollen, weil so viel Liebe drinsteckt. "Whispering Blue" geht noch weiter und verlegt – als wären die androgynen Tokio-Hotel-Buben nicht niedlich genug – die Handlung in eine Aufzuchtstation für, Obacht: Baby-Robben. Kein Einzelfall: In "Secret XXX" geht’s um einen Gay-Boy, der ganz arg Kaninchen streicheln mag, aber eine Allergie hat (heul). Der Vorteil eines großen Markts ist allerdings: Wo es süß bis zum Zuckerschock wird, schlägt auch jemand die Gegenrichtung ein. Mein persönlicher Favorit ist "Jealousy" von Scarlet Beriko.
Gefesselter Kleingangster

Das ist tatsächlich mal was komplett anderes. Zwei Yakuza stoßen bei ihren Jobs immer wieder auf einen nackten gefesselten Kleingangster – der steht nämlich auf Bondage. Pfiffige Dialoge, eigenwilliger Sex und clever entwickeltes Mystery, man kann’s nicht anders sagen: Das ist unterhaltsam und richtig gut.
Und? Haben Sie Lust?
Scarlet Beriko, Jealousy, Egmont
Meguro Hinohara, Secret XXX, Egmont
Chasm, Whispering Blue, Egmont
Asumiko Nakamura, Doukyusei, Cross Cult
Rihito Takarai, Ten Count, Tokyopop
Keri Kusabi, Unser unstillbares Verlangen, Tokyopop
Dieser Text erschien erstmals bei SPIEGEL Online.
Sie wollen Ihren Senf dazugeben? Dann hier:
Bastien Vivès feiert mit sparsamen Strichen erste Liebe und ersten Sex. Irritierend: die Protagonisten der brillant gezeichneten, einfühlsam erzählten Graphic Novel sind 16 und 13

Also, ich will jetzt nicht mehr draus machen als tatsächlich dahintersteckt, aber ich bin schon ein bisschen verwirrt. Dabei habe ich nur einen Comic gelesen. Einen hervorragenden, einfühlsam erzählten, brillant gezeichneten Comic, berührend in jeder Beziehung, gewitzt, zauberhaft – und trotzdem sitze ich hinterher da und stelle mir die Frage: Bin ich jetzt ein Edathy? Oder bin ich nur #MeToo-hypersensibilisiert oder irgendsowas?
Ich meine, man muss ja bedenken: Das ist ein Comic, da wurde nun wirklich niemand angefasst, missbraucht, benutzt, sonstwas, hundertprozentig, ich kenne den Zeichner, ich habe ihn live zeichnen sehen, der braucht keine Modelle oder irgendwen, der macht das superlocker aus dem Kopf heraus direkt aufs Papier. Er ist Franzose, heißt Bastien Vivès, und der Comic, um den es geht, heißt „Eine Schwester“. Ein Comic, den man im Übrigen selbst bei skeptischster Betrachtung mindestens großartig nennen muss.
Das geheimnisvolle Universum der Erwachsenen
Die Geschichte selbst ist simpel: Ein Ehepaar fährt mit seinen beiden Söhnen Antoine und Titi ins Ferienhaus. Die Jungs gehen an den Strand, zeichnen Comicfiguren und Pokemons, und als sie zurückkommen sind weitere Gäste im Haus: Sylvie, eine Freundin der Familie, die gerade eine Fehlgeburt hatte, Trost braucht und deshalb zu Besuch gekommen ist. Mitgebracht hat sie ihre Tochter Hélène. Hélène ist 16 und macht, was Mädels mit 16 öfter vorzugsweise tun, nämlich ins Smartphone glotzen. Aber sofort ist klar: Hélène, die Sonnenbrille trägt und knappe Klamotten, die heimlich raucht, kommt aus einer anderen Welt, sie ist viel näher am geheimnisvollen Erwachsenen-Universum als Antoine, der gerade 13 geworden ist.
Aber für die Erwachsenen ist sie noch ein Kind, also wird sie bedenkenlos mit Antoine und Titi losgeschickt. Es entwickelt sich was zwischen Antoine und Hélène, na klar, es ist – wie gesagt – keine superneue Geschichte. Die Frage ist in solchen Fällen vielmehr: Kriegt man den Zauber hinein? Den Zauber des Sommers, den Zauber der ersten Liebe, die ganze Unsicherheit. Das macht Vivès schon mal fabelhaft.
Er: schüchtern und ernst. Sie: mutig und entdeckungslustig
Die Figuren sind erstklassig: Titi ist ein guter, nervig-charmanter kleiner Bruder, noch ganz in dem Alter, aus dem Antoine – ohne es zu merken – gerade herauswächst. Antoine ist schüchtern und ernsthaft, und dass er sich so ernsthaft um seinen kleinen Bruder kümmert, ist wiederum der Schlüssel dafür, dass ihn Hélène ernst nimmt. Hélène, die eben nicht immer alles macht, was die Eltern anordnen. Sie klaut abends beim Weinfest eine halbleere Flasche und lädt den schüchternen Antoine zum heimlichen Mittrinken ein, und erst ab diesem Abend bemerkt er Hélènes ziemlich anregende Figur, die dem Leser natürlich schon die ganze Zeit aufgefallen ist.
Ab da hofft man natürlich, dass Antoine Hélène kriegt, man hat richtig Angst um ihn, weil an dem Ferienort auch viele andere Jungs unterwegs sind, die ein bisschen größer sind als er, ein bisschen selbstsicherer. Schön ist auch: Vivès macht aus Hélène keine frühreife Femme fatale. Sie mag Antoine, weil er anständig ist und hilfsbereit, wahrscheinlich auch, weil man bei ihm alles etwas besser unter Kontrolle hat als bei den größeren Jungs, die sich sofort um sie scharen. Weil er nie ungefragt irgendwo rumfingern würde. Und dann fragt sie ihn eben mal in einem ruhigen Moment, ob er schon mal ein Mädchen geküsst hat. Und ob er’s mal probieren will, und dann… Aye carumba!
Ein Kopf aus drei Linien - aber trotzdem ist alles da
Vivès war schon immer ein sensationeller Zeichner, aber so reduziert hat er nicht mal in „Polina“ gearbeitet. Schwarz-weiß, dazu zweierlei Sorten Grau zur Schattierung, fertig. Hélènes Kopf besteht manchmal nur noch aus drei Linien, und dennoch ist alles da, Körperhaltung, Gefühl, die Blicke, obwohl Vivès oft gar keine Augen zeichnet.
Der Geruch von Strand in den Haaren. Und gerade auch die Bewegung, wie Mädchen und Frauen gehen, sitzen, stehen, und Antoine genauso, mal wie ein Kind, mal wie ein Mann, der sich noch nicht an seinen Körper gewöhnt hat. All das, so sparsam und zugleich so vollständig, dass es einen nicht wundern würde, wenn Vivès dasselbe demnächst mit einem leeren Blatt hinbekommt. Und dann langt er richtig hin. Weil er erkennbar keine Lust hat, an den knisternden Stellen mit der Kamera ins Kaminfeuer wegzuschwenken.
Wen das kaltlässt, der war nie 14, 15, 16
Er zeigt, in ebendiesem zauberhaften Stil, Sex. Blowjob, Erektion, Ejakulation, Schamhaar inklusive, stets im Dienste der Story, wie es so schön heißt, aber wer behauptet, dass ihn diese Szenen kalt lassen, der ist nie 14 gewesen oder 15 oder 16 oder verliebt oder unglücklich verliebt oder neugierig oder überhaupt auch nur jung.
Trotzdem habe ich sofort angefangen, nach Vergleichen zu suchen, die mir versichern, dass das alles okay ist. Die „Blechtrommel“-Verfilmung, aber da war bei Brausepulver im Bauchnabel Schluss. Die 70er, in denen zärtliche Cousinen durchs Kino flimmerten, oder wundersame Schwangerschaften in der Blauen Lagune, aber da waren keine 13-Jährigen dabei, oder?
Doch dieser Antoine ist nur ein gezeichneter 13-Jähriger, den gibt’s gar nicht in echt. Und dann merke ich, wie ich darüber nachdenke, ob alles einvernehmlich ist, die Fummelei unter Jugendlichen stattfindet, kein Erwachsener dabei, all diese eigenwilligen Kriterien, mit denen man plötzlich nicht mehr die Qualität eines Comics zu beurteilen versucht, sondern nur noch die Rechtslage. Aber, zum Donnerwetter nochmal, dafür ist „Eine Schwester“ einfach viel zu großartig.
Bastien Vivès, Eine Schwester, Reprodukt, 24 Euro
Dieser Text erschien zuerst bei SPIEGEL Online.
Zum Valentinstag: US-Star Terry Moore setzt den RomantiComic „Strangers in Paradise“ fort. Sechs Bände gibt’s bislang – einer lustiger, trauriger, bittersüßer als der andere

Ich sitze im Regionalzug und heule Rotz und Wasser, und das nicht zum ersten Mal bei diesem Comic. Angefangen habe ich nur anstandshalber, weil man sich ja für alles interessieren sollte, auch für Sachen, die einem eher nicht liegen, wie eben Romantik-Schmonzetten. Also wirft man pflichtbewusst einen Blick in diese Serie da, „Strangers in Paradise“, wenn’s einem nicht gefällt, kann man sie ja wieder weglegen. Und dann stellt man fest: Das Zeug ist gut. Und nicht nur das: Es ist umwerfend – obwohl die Zutaten denkbar wenige sind.
Drei, um genau zu sein.
Da wäre: Eine üppige, hübsche Frau, die stets an sich zweifelt und eher konservative Träume hat – Francine. Da wäre: Eine kleine, zähe, gutaussehende Blondine, die zu 90 Prozent lesbisch ist – Katchoo. Und da wäre dann ein niedlicher, sehr verständnisvoller Junge – David. David liebt Katchoo, Katchoo liebt Francine, Francine will aber einen Kerl – so geht das Ganze los.
Fast immer sehr erotisch, selten wirklich nackt
Klar kommen noch diverse Irrungen und Wirrungen dazu, aber mit einem Grundgerüst aus drei Leuten kann man doch eigentlich nicht viel zaubern, oder? Kann man wohl - wenn Terry Moore der Magier mit diesen Zutaten ist. 14 Jahre lang hat der Texaner die Serie gezeichnet, stets schwarz-weiß, realistisch, das Vorbild sind klassische US-Zeitungsstrips, die – anders als die Vier-Panels-mit-Pointe-Peanuts – über Wochen und Monate eine fortlaufende Geschichte erzählen. Die Bilder sind dabei schon mal der erste Blickfang: Moore zeichnet seine Frauen ausgesprochen liebevoll und ansehnlich.
Fast immer sehr erotisch, aber selten nackt. Nachdenklich, wütend, listig, hinterlistig, verliebt, besoffen, verschämt, Moore zeichnet die ganze Gefühlspalette – und er weiß, wie man diese Gefühle inszeniert. Es gibt für jede Regung einen Grund, jede Aktion ist eigentlich eine Reaktion, und weil Frauen oft gesprächiger sind als Männer, gibt es auch jede Menge Dialoge, gute Dialoge, schnelle Dialoge, lange Dialoge, witzig, gemein, voller Hass, voller Kummer, voller Zärtlichkeit, oft wendungsreich, aber zuverlässig zuspitzend. Moore schreibt Dialoge so gut, wie er Frauen zeichnet. Und das ist nur der Anfang.
Slapstick, Sehnsucht, Sitcom - Moore kriegt jede Kurve
Was er immer wieder gerne dazwischen streut, sind Slapstickmomente, völlig überdrehte Situationskomik, und dabei entgleist ihm dann sein Zeichenstift gerne gleich mit. Dann rutschen die Gesichter in Richtung Karikatur, er überzeichnet Action, Bewegungen und Reaktionen cartoonartig, was eigentlich die Ernsthaftigkeit der Figuren dauerhaft beeinträchtigen müsste, und dann passiert das nächste Wunder: Wie Moore den Übergang aus der Comedy zurück in die Geschichte moderiert.
Da genügt oft ein Blick in die Augen seiner Protagonisten, und dann ist unfassbar schnell wieder Schluss mit lustig. In seiner später erschienenen Horror-Serie „Rachel Rising“ sieht man, wie grandios das in die Hose gehen kann, wie er ein ums andere Mal den Grusel mit Kaspereien ruiniert – in „Strangers in Paradise“ meistert er sämtliche Situationen so bravourös, dass man mit offenem Mund weiterblättert.
Natürlich gibt's ein dunkles Geheimnis
Es hilft natürlich, dass Moore rasch die Zutatenliste erweitert. Er erfindet das Genre auch keineswegs neu: Erst bekommt Katchoo ein dunkles Geheimnis, dann bekommt David eines, genau genommen sind das alles bekannte Klötzchen aus dem Skriptbaukasten. Aber parallel dazu erweitert er auch seine Erzählmethoden. Er wechselt ständig die Perspektive, erzählt in der ersten Person, beobachtet in der dritten Person, er schreibt ganze Seiten wie einen Roman mit Bildern, er streut Songtexte ein, er zeichnet Seitenweise Bilderfolgen ohne jede Sprechblase, lässt den Dialog senkrecht zwischen zwei extrem hohen Porträts ablaufen, er mischt Bild und Text grade wie er’s braucht und mit einer Sicherheit, der man sich als Leser gerne anvertraut.

Und wenn ihm all das nicht mehr reicht, dann macht er eine kleine Rückblende, fünf Jahre in die Vergangenheit. Oder er springt zehn Jahre in die Zukunft, und Francine, die sich doch soeben noch für Katchoo entscheiden wollte, hat plötzlich eine Tochter und keinen Mann mehr dazu und fragt sich, wie es je soweit hatte kommen können? Es ist schlichtweg nicht zu fassen, was Moore der Leserschaft zumutet und was der Leser (ja, explizit sogar auch der Leser) gerne mit sich machen lässt: Es gibt eine geheimnisvolle Verschwörerverbrecherbande, es tauchen Halbschwestern auf, brutale Morde, hartnäckige Polizisten, richtig heftige Gewalt, aber stets so geschickt eingesetzt, dass die Dreierlovestory immer die Hauptsache bleibt.
Und grade, wenn man sich fragt, ob dieser Terry Moore denn wirklich alles, alles, alles kann, dann betrachtet man seine oft verheerend falsch gezeichneten Autos. Möglicherweise macht er das aber extra, damit er nicht völlig unglaubwürdig wird.
Sechs Bände „Strangers in Paradise“ gibt es, für jeden von ihnen ist es empfehlenswert, ein Extrapäckchen Taschentücher bereitzuhalten. 2018, so hat Terry Moore versprochen, will er „Strangers in Paradise“ fortsetzen. Die Nachricht ist zum Heulen schön.
Einen frohen Valentinstag!
Terry Moore, Strangers In Paradise, Band 1-6, je 16,95 Euro
Dieser Text erschien erstmals bei SPIEGEL Online.