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Krawallbunter Klassiker

Polit-Satire? Monster-Spoof? Frank Millers spektakulärer Science-Fiction-Spaß „The Big Guy and Rusty The Boy Robot“ erscheint endlich auf deutsch

Illustration: Geof Darrow/Frank Miller - Cross Cult

Man staunt manchmal, was für Klassiker nach wie vor lange unübersetzt herumgelegen sind. Obwohl sie von Superstars sind – von Frank Miller etwa: Der ist im Comic ja sowas wie Metallica in der Musik. Vor fast 30 Jahren entwickelte er „The Big Guy and Rusty the Boy Robot“, eine aberwitzige Comic-Satire, die es auch schon zu Trickserien-Ehren gebracht hat. Auf deutsch erschien sie nie – bis jetzt. Warum die Zeit vorher nicht reif schien? Rätsel über Rätsel, aber: Nutzen Sie diese ideale Gelegenheit, den einzigartigen Geof Darrow kennenzulernen, so zugänglich wie nie.


Rusty: bubengroß und atomgetrieben


Illustration: Geof Darrow/Frank Miller - Cross Cult

Bei Darrow muss man normalerweise (siehe unten) eine Menge Gewalt wegstecken, und das ist nun mal nicht jedermanns Sache. Die hier von Frank Miller gelieferte Geschichte ist deutlich milder, weil überdrehter: Sie spielt in Japan, wo (alte Monstertradition) wieder mal ein Experiment aus dem Ruder läuft. Dadurch entsteht ein so unzerstörbares godzilla-artiges Ungetüm, dass die Japaner ihre Geheimwaffe losschicken: Rusty, einen bubengroßen, atomgetriebenen Roboter, der pflichtbewusst loslegt – und kläglich scheitert. Nun kann nur noch einer helfen: Rustys größere Version, der US-amerikanische Big Guy.

Illustration: Geof Darrow/Frank Miller - Cross Cult

Schwer zu sagen, was hier am erfreulichsten ist, denn man kann sich so schwer konzentrieren: Sind es Darrows wunderbar spöttische Ansichten des japanischen Großstadtmolochs, mit all der zuckersüßen Werbung? Ist es das traumhaft altmodische Technikdesign seiner Roboter, zwischen Art deco und Bosch-Kühlschrank? Sind es die irrsinnigen Details? Denn auf einem einzigen Darrow-Panel kann man problemlos Viertelstunden verbringen. Probieren Sie's selbst:


Irrsinnsdetails auf jedem Panel

Illustration: Geof Darrow/Frank Miller - Cross Cult

Big Guy, auf der Straße, umzingelt von einer Schar kleinerer Godzillas. Sie sind unmöglich zu zählen, 40, 50, und doch sieht jeder einzelne von ihnen anders aus, genauso wie die Autos auf der Straße, jedes Modell anders. Aus Big Guys ausklappbaren Armgelenken schießen Betäubungsgranaten, es explodieren Autos, Monster, zwischen den Häuserfassaden, und wir sehen das alles von schräg oben, an einem japanischen Strommast vorbei, und Darrow zeichnet natürlich auch noch diesen völlig irrsinnigen Strommast, mit seinen Verteilerkästen, Kondensatoren, seinem Kabelwirrwarr, ein insgesamt hoffnungslos vergnügliches Chaos, und das ist nur ein einziges Bild! Auf dem Frank Miller dem Robohelden auch noch alle edelmütigen Superhelden-Gedanken der 70er in den Blechmund und -kopf legt, weil es ja gilt, in den Monstern das Leben verseuchter Mitbürger zu schonen.

Illustration: Geof Darrow/Frank Miller - Cross Cult

Wie dieser herrliche Unfug entsteht, ist schwer vorstellbar, es scheint aus Darrows Hand zu fließen wie bei anderen Leuten Krakeleien beim Telefonieren, aber Darrows Kopf schaltet offenbar nie ab, er wiederholt einfach nichts. Grade hab ich beim neuen Asterix 36 identische Pferde beklagt, bei Darrow wäre nicht vorstellbar, dass sich davon zwei auch nur ähneln. Nur etwa 70 Seiten hat die Geschichte, dazu gibt es eine Extrastory (die ausgiebig US-Bürger von ihrer unansehnlichen Seite zeigt) und jede Menge frei erfundener Comic-Cover (wie Big Guys Kampf gegen das Mondschwein oder Captain Tschernobyl): Man kann mit dem Lesen und Gucken problemlos Tage verbringen und hat dann immer noch nicht alles gesehen. So viele Häuser, Menschen, Geschäfte, alles, alles immer wieder skurril anders. Wie die trinkenden Affen.


Rauchende Schildkröten, trinkende Affen


Die sind nicht in „Big Guy“, die sind in Darrows nagelneuem, bislang nur auf Englisch verfügbaren Band der Serie „Shaolin Cowboy“: „Cruel To Be Kin.“ Wo der blühende Unsinn zwar deutlich blutiger ist, dennoch durch die völlige Absurdität immer noch verträglich bleibt. Darrows Dauerheld mit den chinesischen Wurzeln wird diesmal in einer Wildwest-Wüste von einem Zauberzwerg im lila Kinderkostüm überfallen. Der steuert in einem merkwürdigen altmodischen Motorstuhl eine gigantische Monsterqualle. Und attackiert den Cowboy mit einem Schwarm Möwen sowie zwei Skeletten in einem rostigen Renault R4, und… ja, ich weiß, wie irrsinnig das klingt.

Illustration: Geof Darrow - Dark Horse Comics

Man muss, um das gut zu finden, nicht einmal Möwen, Skelette und R4 für den Superwitz halten, es ist einfach unglaublich, welcher unerschöpfliche Ideenreichtum durch die Bilder purzelt. Jede Möwe hat einen eigenen Auftritt, manche von ihnen rauchen ebenfalls. Gelegentlich beobachten auch rauchende Schildkröten die episch-dämlichen Zweikämpfe. Die Wüste ist voller Skelette, kaputter Autos, gigantischer Kröten, voller Abfall und dieser allgegenwärtigen amerikanischen Müllsäcke. Und wenn die Müllsäcke durch die Gegend geschmissen werden und zerreißen, dann überlegt sich Darrow auch noch detailreich, was da wohl für Müll rausfliegen könnte, und welche Schmiererei an welchen Felsen passt, ruckzuck ist schon wieder ein halber Abend dahin und man ist kaum zehn Seiten weitergekommen.


Extrem preis-wert



Viele denken ja zunehmend drüber nach, was Comics kosten. Darrow-Comics gehören zum Preiswertesten, das man kaufen kann. Weil man auch, wenn man die Geschichte längst kennt, immer und immer wieder die Seiten durchblättern, die Panels durchsuchen kann, und man wird, ungelogen, ständig aberwitzige Details finden, die man bislang verpasst hat. Was den Mehrmals-Lesespaß angeht, konkurriert Darrow mit den Allergrößten, mit Asterix, mit Lucky Luke, mit den Peanuts.





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